Unter Den Augen Tzulans
Zwecken eingesetzt und mein Gemüt mit ihren Gaben verwirrt hat, wird von heute an ungenannt bleiben.« Herodin nickte.
Schweigend saßen sie am Lagerfeuer. Irgendwann schlief sein Unteranführer ein.
Nerestro fuhr prüfend mit den Fingern in seinen Nacken und entdeckte die Kratzspuren der Priesterin. Leise zog er seinen Dolch und erhitzte die Schneide in der Glut. Ohne zu zögern, setzte er die Klinge an die Stelle, an der sich die Narben befanden. Seine Zähne knirschten aufeinander, das Gewebe verbrannte zischend und stinkend, aber kein Schrei kam über seine Lippen. Er wiederholte die Prozedur, bis er sich sicher war, dass auch der letzte Rest der Narben ausgelöscht war. Mit einem leisen Stöhnen ließ er das Messer fallen und goss sich etwas kühles Wasser in den Nacken.
Damit wäre deine Macht über mich gebrochen, dachte er grimmig, während die Schmerzen in seinem Genick nicht enden wollten. Oder sollte ich mir besser das Herz aus dem Leib reißen? Als der Morgen graute und der Tau sich sammelte, übermannte ihn der Schlaf.
Gegen Mittag machten sich die beiden Ritter auf den Weg zu der von Belkala beschriebenen Bauernhütte, wo sie nach einer gerne gegebenen Stärkung von einem der Söhne des Landmanns mit einem Karren nach Telmaran gefahren wurden.
Dort erfuhren sie, dass sie nicht als Einzige des Geeinten Heeres mit dem Leben davongekommen waren. In einem eilig eingerichteten Lazarett im größten Gasthaus der Stadt lagerten ein Dutzend Verwundeter, jedoch niemand, den die beiden Angor-Gläubigen kannten.
Nerestro und Herodin wuschen sich ausgiebig und erhielten neue Kleider, die ihrer eigenen Ansicht nach keineswegs den Ansprüchen eines Ritters genügten. In gewöhnlichen aldoreelischen Bürgerröcken liefen sie umher, ausgestattet mit ein paar Münzen, die die Einwohner gespendet hatten.
Als Herodin in Erfahrung brachte, dass die Truppen des Kabcar sich noch immer in Grenznähe aufhielten, fasste Nerestro den Entschluss, sich sofort mit dem jungen Herrscher zu bereden. Je eher er diese Sache abgeschlossen hatte, desto besser.
Herodin schien nicht allzu begeistert zu sein, hielt aber seinem Herrn wie gewöhnlich die Treue und begleitete ihn in Richtung Norden. Da wegen des gebrochenen Beins ein Marsch nicht in Frage kam, überredeten sie den Bauernburschen, ihnen einen weiteren Dienst zu tun. Gegen Abend erreichten sie die Grenze zur Großbaronie, das Schlachtfeld lag zu ihrer Linken. Dort herrschte im Schein der untergehenden Sonnen noch immer reges, grausiges Treiben.
Nerestro und sein Unteranführer sahen mit Absicht nicht hinunter, aber der Junge konnte den Blick nicht von den vielen Toten abwenden. Teile der tzulandrischen Truppen waren immer noch dabei, die mehr als fünftausend Gefallenen in kleineren Haufen aufzutürmen, sie auf Reisig und Holz, das wohl von den Zeltgestängen stammte, zu betten und die Stapel zu entzünden.
Bergeweise erhoben sich andernorts Rüstungsteile, Schwerter, Lanzen, Schilde und weiteres Zubehör wie Sättel, Zaumzeug oder Kochgeschirr.
Fein säuberlich trennten die Helfer auf dem rot gefärbten, morastigen Schlachtfeld die verschiedenen Panzerungs- und Waffenarten, bevor sie die toten Besitzer den Flammen übergaben. Sie scheuten auch nicht davor zurück, durchbohrte Leiber von den Pfeilen und Speeren zu befreien, wenn man die Fundstücke noch gebrauchen konnte. Hin und wieder tönte ein raues Lachen oder ein Scheppern zu dem Karren herüber, wenn ein Schild zu den anderen auf dem Stapel flog.
Nerestros Fäuste ballten sich unwillkürlich, doch stur blieben seine Augen nach vorne gerichtet.
Eine Patrouille, bestehend aus zehn Reitern, kam auf den kleinen Wagen zu und zwang den Bauernjungen zum Anhalten. Alle Männer waren mit eisenbesetzten Lederpanzern und Helmen gerüstet, trugen Speere und Schilde, an der Seite baumelten gebogene Säbel. Wenn sie aus Tzulandrien stammten, wirkten sie nicht sehr fremdländisch.
»Wohin?«, fragte der Anführer knapp in schlechtem Ulldart und ließ den Blick aufmerksam über die Passagiere gleiten. An den Juwelen am Griff der aldoreelischen Klinge blieben die Pupillen haften. »Und was ist das für eine Waffe?«
»Sag dem Kabcar von Tarpol und Tûris«, erhob der Ordenskämpfer seine Stimme, »dass Nerestro von Kuraschka und Herodin von Batastoia ihn sprechen und um Vergebung bitten möchten.«
»Und wer soll das sein?«, erkundigte sich der Soldat unwirsch.
»Richte es aus, und du wirst sehen, was passiert. Wir sind
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