Unter Den Augen Tzulans
höher schossen, »kümmern wir uns um Borasgotan. Ich werde mir das Land nehmen. Es hat Bodenschätze, die ich gut gebrauchen kann. Begründen werde ich es damit, dass die Erträge aus den Minen nicht zur Deckung der Kriegsschäden ausreichen. Den Menschen tue ich damit einen Gefallen, wenn ich sie von dem wahnsinnigen Arrulskhân befreie.« Zufrieden schaute er in das fauchende Rot des Feuers. »Dann besitze ich Tûris, Tarpol, Borasgotan und Aldoreel. Die Baronie gehört meiner bezaubernden Gattin, und die Hälfte Serusiens liegt in meinem Sicherheitsgürtel.« Lodrik schien ein Gedanke gekommen zu sein. »Wisst Ihr, lieber Vetter, was mich schon immer gestört hat?« Mortva sah ihn neugierig an. »Die Ontarianer. Diese Händler mit ihrem Monopol. Ich gedenke, mir ihre Stationen anzueignen und den Handel selbst zu organisieren. Das ist nur rechtens, nicht wahr?«
»Es ist ein gefährliches Unterfangen.« Sein Konsultant wiegte den Kopf. »Aber es wird Euch bei allen Handelstreibenden beliebt machen. Wenn die Auflagen der Ontarianer fallen, stehen völlig neue Möglichkeiten offen. Aber ein Schlag gegen sie muss sehr gut vorbereitet sein. Sie könnten Euer Reich durch Blockaden innerhalb von Wochen an den Rand einer Hungersnot bringen.«
»Deshalb werden wir beide den Winter damit verbringen, sorgfältig zu planen, Mortva. Oder habt Ihr etwas anderes vor?« Lodrik lächelte gewinnend.
»Natürlich nicht, Hoher Herr.« Sein Konsultant deutete eine Verbeugung an. »Und nun werde ich veranlassen, dass den beiden Rittern geholfen wird. Entschuldigt mich und genießt Euren doppelten Triumph.«
Der Mann mit den silbernen Haaren verließ die Halle und eilte durch die Gänge.
In seinem Gemach machte er sich an das Aufsetzen der Dokumente für die Ordenskrieger. Doch er arbeitete unkonzentriert, etwas beschäftigte ihn unbewusst. Die innere Unruhe wurde bald so groß, dass er aufsprang und im Zimmer hin und her lief. Abrupt, als sei er gegen eine Wand gelaufen, blieb er stehen.
»Paktaï«, flüsterte er. Nichts geschah. Er wiederholte den Befehl, diesmal lauter, energischer.
Doch die Zweite Göttin erschien nicht.
Ein lauter, zorniger Fluch kam über seine Lippen. Ohne sie bekam er keinen Kontakt zu seinem anderen Helfer. Hemeròc musste sich noch immer von der Verletzung durch die aldoreelische Klinge erholen, und dieser Ort lag jenseits von ulldartischem Raum und ulldartischer Zeit. Er selbst konnte in dieser Gestalt nicht dorthin gelangen, und so wusste er nicht einmal, wie weit die Gesundung vorangeschritten war.
»Wo steckt sie?«, fragte er halblaut in den Raum. »Sollte sie immer noch auf See sein?«
Seit sie unterwegs war, erschien sie in regelmäßigen Abständen, wenn die Schiffe an Festland anlegten, um ihm zu berichten. Nun lag ihr letzter Besuch bereits so weit zurück, dass er sich Sorgen machen musste.
»Nicht auszudenken, wenn ihr etwas zugestoßen sein sollte.« Er ärgerte sich. Dabei ging es weniger um das Wesen als um die Verwirklichung der Pläne. Er musste einiges verschieben. Aber etwas musste erledigt werden, das keinen Aufschub duldete.
Mortva machte sich an die Ausfertigung eines weiteren Schriftstücks und ließ dann Osbin Leod Varèsz zu sich holen.
»Wir müssen dem neuen Großmeister der Hohen Schwerter einen Gefallen erweisen«, eröffnete er dem Strategen, wobei er die Feder zur Seite legte. »Nerestro von Kuraschka braucht unsere Hilfe.« Vorsicht blies er über die feuchte Tinte.
Der Feldherr, gekleidet in violette Gewänder, wirkte irritiert. »Und was ist mit dem alten? Meines Wissens nach haben meine Leute ihn gefangen. Er sitzt verschnürt im Kerker.«
Der Konsultant legte schweigend die Fingerspitzen zusammen und sah den Strategen nur an.
»Ich werde das veranlassen.« Varèsz verstand sofort.
Mortvas Mundwinkel wanderten nach oben. »Aber in aller Heimlichkeit. Ich habe dem Kabcar gesagt, dass der Großmeister seinen Verletzungen erlag.«
»Das wird er«, versprach der Feldherr gleichgültig, warf seinen Dolch in die Luft und fing in wieder auf. »Es war ohnehin erstaunlich, dass er diese Schnitte überlebt hat.«
Der Konsultant reichte ihm das Dokument. »Das ist sein letzter Wille. Siegelt es entsprechend und lasst ihn seine Unterschrift darunter setzen.«
Varèsz nahm das Blatt und verließ das Zimmer.
Der Konsultant lehnte sich nach hinten und legte die Stiefel auf die Tischplatte.
II.
Seine Augen verkündeten das Verborgene, das sie mit Furcht
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