Unter Den Augen Tzulans
dass ihr geplanter Raubzug in Tularky misslungen war, dennoch verdankte sie es ihm und seiner Navigationskunst, dass die Lerrán einen Hafen erreichte. »Eins musst du mir noch sagen: Hättest du mir tatsächlich den Hals aufgeschnitten wie einem Huhn?«
Varla verzog den Mund und wirkte damit leicht spöttisch. »Vielleicht. Vielleicht auch nicht.«
Der Freibeuter ließ nicht locker. »Und was ist mit der Liebesnacht? Mit dem Lustsklaven?«
Sie lachte. »Lass es gut sein. Ich wollte dich damals erschrecken, bevor ich dich über Bord geworfen hätte.«
Torben glaubte zu spüren, dass ihre Antwort nicht ganz ehrlich war, ließ es aber im Moment auf sich beruhen. Er zumindest fühlte sich in ihrer Nähe recht wohl, zumal sie die gleiche »Arbeit« verrichteten.
»Glaubst du, deine Leute sind in der Lage, mein Schiff nach meinen Anweisungen zu reparieren?« Varla wirkte nicht allzu zuversichtlich. »Die Bauweise unterscheidet sich schon sehr von euren langsamen Koggen. Ich hoffe, wir finden das richtige Material.«
»Mit Sicherheit nicht.« Torben machte ihr keinerlei Hoffnung. »Die Bäume, die ihr in Tarvin benutzt habt, um die Lerrán zu bauen, wachsen nicht in Rogogard. Wir können froh sein, wenn wir überhaupt auf die Schnelle etwas finden. Zu dieser Jahreszeit sind Reparaturen in den Werften fast an der Tagesordnung. Treibeisschäden. Passiert schnell, wenn man unachtsam ist.«
»Das ist ja wunderbar«, seufzte die Kapitänin. »Ich wollte nicht den Winter bei den Bärten verbringen.« Sie bemerkte den vorwurfsvollen Blick des Mannes. »Oh, so nennen wir alle Völker, die sich die Gesichtshaare stehen lassen. Unsere Männer rasieren sich von Kopf bis Fuß.«
»Von Kopf bis Fuß?« Beinahe hätte Torben den Grog auf die Planken gespuckt. »Überall?«
»Überall«, bestätigte Varla. »Bis auf den Kopf.«
»Memmen«, murmelte der Rogogarder. »Wie sind die Winter in Tarvin?«
»Warm, angenehm warm.« Die Augen der Frau bekamen einen sehnsüchtigen Ausdruck, die Hände schlossen sich fester um die Tasse. »Es gefriert nichts, man kann sich Pelze und Felle sparen.«
»Widerlich«, kommentierte Torben. »Man merkt, dass ihr direkt neben Angor liegt.« Vorsichtshalber spähte er nach vorne. »Sag deinem Mann am Ruder, er soll drei Striche nach backbord einschlagen. Ich will die Sandbank umfahren. Normalerweise ist sie bei Flut kein Hindernis, aber bei unserem Wasserstand im Rumpf erscheint mir der direkte Weg zu gefährlich.«
Varla brüllte eine Anordnung in ihrer Sprache in Richtung des Steuermanns, der dem Befehl auf der Stelle nachkam. Eine Böe fegte in die Segel, der Mast knirschte bedenklich, durch die Verstrebungen lief ein Ruck, aber sie hielten stand. Die Lerrán nahm an Geschwindigkeit zu.
»Meinst du, ich sollte Tarvin einen Besuch abstatten?«, wollte er ihre Meinung wissen.
»Du möchtest von mir hören, ob sich ein Beutezug lohnen würde«, übersetzte die Kapitänin die Frage lächelnd. »Lohnen schon, aber mit einer der unbeweglichen Kriegskoggen brauchst du erst gar nicht aufzutauchen. Sie würden dich schneller zu den Fischen schicken, als du wenden könntest. Das war auch der Grund, weshalb die ulldartischen Schiffe keine echte Gefahr sind. Wenn meine Dharka wieder flott ist, können wir gerne ein Rennen fahren, damit du siehst, was ich meine.«
»Einverstanden. Um was wetten wir?«
Varla leckte sich einen Tropfen Grog von den Lippen. »Nein, so nicht. Es muss etwas Ausgefallenes sein.«
Der Rogogarder brummte etwas und prostete ihr zu. »Na schön. Der Verlierer muss, sagen wir, dem Sieger einen Wunsch erfüllen. Was auch immer es sei.«
Sie stieß mit ihm an. »Was auch immer es sei.« Sie schien zu überlegen. »Ich könnte dich an Palestaner verkaufen und mit dem Gewinn ein schönes Schiff bauen. Ich habe gehört, sie sind nicht besonders gut auf dich zu sprechen. Sie würden dich bestimmt gerne als Leibeigenen schuften lassen, bis du tot umfällst.«
»Nur weil du als Mädchen von Tersionern als Sklavin nach Tarvin verkauft wurdest, soll mir das gleiche Schicksal blühen? Nein danke«, wehrte Torben ab. »Die Krämer würden mich auf der Stelle umbringen.«
»Ein gerechter Ausgleich für das, was du mir in Tularky verdorben hast.«
»Ich wusste es«, rief er und hielt ihr den Zeigefinger unter die Nase. »Du bist nachtragend.«
»Was erwartest du?«, verteidigte sie sich, ein Teil ihrer Entrüstung war echt. »Es war alles genau geplant. Meine Leute hätten in aller Ruhe
Weitere Kostenlose Bücher