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Unter Den Augen Tzulans

Unter Den Augen Tzulans

Titel: Unter Den Augen Tzulans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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hatte.
    ›Ihr werdet ein großer Herrscher sein, der sich gegen seine Nachbarn erfolgreich zur Wehr setzt und sie zurückschlägt‹, sagte die Seherin. ›Ihr werdet unverhofften Beistand bekommen, der Euch bei Euren Plänen unterstützen wird.‹
    Auch den Schatten wollte sie ihm nicht verschweigen, der drohend über ihm lauerte. ›Ich sehe aber auch eine ständige Bedrohung, die Euch umgibt und die Euch an Euer Leben will. Wenn sie es schaffen sollte. Euch zu töten, so ist all das, was ich Euch über Eure Kinder und die übrige Zukunft gesagt habe, hinfällig.
    DAS BUCH DER SEHERIN
    Kontinent Kalisstron, Bardhasdronda, Frühjahr 444 n.S.
    Matuc, Fatja und Lorin waren den kompletten Winter über in der kleinen Hütte geblieben und von der Bevölkerung mehr oder weniger durchgefüttert worden, was der Mönch niemals für möglich gehalten hätte. Mit einer solchen Hilfsbereitschaft rechnete keiner der Schiffsbrüchigen, und der Ulldraelgläubige lernte daraus, dass das ernste Wesen der Stadtbewohner, das offenbar überall an der Ostküste des Kontinents der Bleichen Göttin vorherrschte, nicht mit Unfreundlichkeit gleichzusetzen war. Die generelle, durchaus nicht böse gemeinte Reserviertheit gegenüber denen, die »von der anderen Seite« herübergekommen waren, blieb jedoch bestehen.
    Ein paar Ausnahmen jedoch gab es.
    Aus Blafjoll, dem Soldaten und Walfänger, wurde im Laufe der langen, frostigen Abende und eiskalten Nächte eine Art Patenonkel für den kleinen Lorin. Blafjoll war es auch, der mindestens einmal die Woche in der kleinen Kate vorbeisah und Proviant und Brennholz brachte: Gaben der Städter, damit die Fremden dem kalisstronischen Winter nicht zum Opfer fielen. Dem kleinen Lorin schnitzte er aus Tintenfischknochen ein Mobile, das bei jedem kleinen Windhauch tanzte und sich drehte. Der Junge, dessen Haare schwarz wie die seiner Mutter, die Augen aber dunkelblau wie die seines Vaters glänzten, machte trotz seiner frühen Geburt einen durchaus kräftigen, starken Eindruck und schien dem Winter mit Leichtigkeit zu trotzen.
    Im Schlepptau des Walfängers und der Bürgermeistergattin Tjalpali erschienen zwei Menschen, die ebenfalls über den kalisstronischen Schatten der Zurückhaltung sprangen.
    Zu ihnen gehörte die alte Stápa, die älteste Stadtbewohnerin Bardhasdrondas, die nach eigenen Erzählungen schon weit über die achtzig Jahre zählte. Andere, wie Blafjoll, waren der Meinung, dass sie aus Eitelkeit ihr wahres Alter lieber verschwieg, das bei mehr als neunzig Jahren liegen musste, wenn man den Urkunden, die angeblich im Rathaus lagerten, Glauben schenk­te.
    Stápa präsentierte sich als echte Kalisstronin, mit langen schwarzen Haaren, dem leicht kantigen Gesicht und den grünen Augen. Das Alter hatte ihr das Kreuz nach unten gedrückt, sie musste meistens am Stock laufen, aber der Schalk glänzte in ihren Pupillen.
    Ihr gehörten große Teile des Stadtlandes, das ihr Gatte damals bei einem vermeintlich guten Geschäft von einem Palestaner erstanden hatte. Doch der »gute Acker« entpuppte sich als karge Wüste, in dem nichts wachsen wollte. Wie Ulldrael seine Gnade meistens verweigerte, wenn es um den Anbau in Kalisstron ging. Stápa und ihr Mann investierten in wertlosen Dreck.
    Die Stadtälteste kam, und daraus machte sie niemals einen Hehl, aus reiner Neugier in die Hütte der Schiffbrüchigen, um zu sehen, wie es wohl um das Naturell der Menschen aus Ulldart, die nicht zu den Händlern gehörten, bestellt war. Sie legte eine Hand an, wenn sich Fatja abmühte, die Windeln zu wechseln, reichte den Trinkschlauch mit der Kindernahrung oder warnte vor dem Überkochen der Ziegenmilch auf dem Herd. Im Gepäck hatte sie immer eine Tüte mit Keksen, die Matuc und die Borasgotanerin erst zu schätzen lernen mussten. Sie schmeckten, entgegen der tarpolischen Sitte, eher salzig und waren mit einem Gewürz zubereitet, das keiner der beiden zuordnen konnte.
    Bald gehörte das Gebäck zum wöchentlichen Beisammensein wie der stark gebraute Okjelpe-Tee, den die Kalisstri in rauen Mengen zu sich nahmen. Er diente als Allheilmittel bei kleinen Leiden, machte je nach Zubereitung müde oder hielt wach und sorgte generell für die innere Wärme. Nicht anfreunden konnten sie sich mit dem Brauch, etwas Fett und Salz in das Getränk zu geben, was nicht eben dem Geschmack zuträglich war.
    Wer ebenfalls den Kopf zur Tür hereinstreckte, war ein junger Gelehrter, gerade einmal drei Jahre älter als Fatja, der

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