Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter Den Augen Tzulans

Unter Den Augen Tzulans

Titel: Unter Den Augen Tzulans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
Mönch. »Man sagt sich, du seist ebenfalls Priester. Aber nicht von Kalisstra.«
    »Neinst, Kiurikka«, erklärte der Mönch freundlich. »Ich dienen Ulldrael dem Gerechten. Er hat uns bewahrt und uns den Wagen entrissen. Wogen, ich meine.«
    Kiurikka hob, zum Zeichen, dass der Mönch schweigen sollte, den Stab ein wenig an. Der Autorität, die von der Frau ausging, konnte er sich nicht verschließen, und tatsächlich klappte er den Mund zu. »Ulldrael mag eines der Geschwister sein, aber hier hat er nichts zu sagen. Die ersten Menschen hofften in dieser Umgebung auf seinen Beistand, er möge das Getreide gedeihen lassen und die Natur zum Blühen bringen. Aber sie wurden verraten. Nichts tat sich, und sie sahen sich in Kalisstron einem furchtbaren Hungertod ausgesetzt.«
    »Der Gerechte ist überallig«, sagte Matuc und bemühte sich, freundlich zu bleiben. Aus den hintersten Winkeln seiner Erinnerung schlichen sich die Bilder vom ersten Zusammentreffen mit der Kensustrianerin in der Flussschenke hervor. »Er hätte Menschen in Not niemals in Hieb gelassen.«
    »Stich«, verbesserte sie. »Ulldrael hat vier Städte zu Grunde gehen lassen«, erzählte die Hohepriesterin mit eiskaltem Blick. »Er hat ihnen die Ernte versagt, obwohl sie sich ihm anschlossen, und so starben sie im Winter jämmerlich, fraßen sich gegenseitig auf, bevor sie der Tod ereilte.« Sie kam einen Schritt auf den Geistlichen zu. »Eine dieser Städte war Bardhasdronda. Es dauerte vier Generationen, bis sich überhaupt jemand wieder in diese Mauern wagte. Nur unter dem Schutz und durch die Gnade der verzeihenden Göttin wurde es möglich, hier zu leben. Sie gewährte Fisch und Jagdtiere im Uberfluss. Seit damals. Bis heute.«
    Der Mönch verstand die Betonung ihrer Worte sehr genau. »Und Euer habst nun Schrecken, dass mir Erscheinen die Göttin vielleicht dazu macht, ihre Gnade neuer zu übergedenken?« Eine seiner Krücken rutschte von seiner Kleidung ab, als er sie besser positionieren wollte, und fiel in den Schnee. »Warst Euch möglich so aufdringlich und würdest einem alten Mann den Liebesbeweis tun? Ich komme nicht dran.«
    Kiurikka sah teilnahmslos auf die Gehhilfe. »Ich denke nicht, dass das Auftauchen eines alten Krüppels und eines kleinen Mädchens die Bleiche Göttin dazu bringt, ihre Gnade von uns zu nehmen.« Das Grün ihrer Augen legte sich auf Matuc. »Aber wenn ich erfahren sollte, dass du versuchst, Sendbote des Gerechten zu spielen und dessen Lehre verbreitest, wirst du erfahren, was es heißt, ein plötzlich ungeliebter Gast zu sein.« Sie hielt ihm das Ende des Stabes unter die Nase, und der Geistliche wusste nicht genau, ob es eine Drohung oder eine Aufforderung war, sich die Gravuren näher zu betrachten. »Bardhasdronda erlitt einmal einen schrecklichen Niedergang, und der wird sich nicht wiederholen, hast du mich verstanden, Fremdländler?«
    Im Inneren Matucs regte sich Widerstand gegen diese Drohung, denn er fühlte sich zu unrecht von der Hohepriesterin angegriffen, zumal er sich des historischen Hintergrunds der Stadt nicht bewusst war. »Seist Ihr so wenig überzeugen von Ihrem Wirken unter den Zutraulichen, dass Ihr tatsächlich angstet, ich, ein dahergerennender Ulldraelmönch, der Ihre Sprech nicht gut beharscht, könnte Euch die Menschen von ihrer altvorbeigebrachten Frömmigkeit abbringst?« Er tastete mit der verbliebenen Krücke nach der anderen Gehhilfe.
    Kiurikka hakte die Spitze ihres Gehstabes in eine Verstrebung und zog die gefallene Krücke weiter von Matuc weg. »Damit wir uns verstehen: Ich habe keine Angst vor dir und deinem Gott. Ich möchte aber jede Möglichkeit, dass dieses grausame Ereignis sich wiederholen könnte, im Keim ersticken.«
    Beharrlich versuchte der Geistliche, die entführte Gehhilfe zurückzuerobern. Dabei geriet er etwas aus dem Gleichgewicht und wäre um ein Haar gestürzt. »Würdest Euch das bitte untergelassen? Ich habe Ihm nichts getutet.«
    »Dann möchte ich einen Schwur, dass du nicht versuchen wirst, deine Lehren in Bardhasdronda oder im Umfeld der Stadt zu verbreiten«, verlangte die Hohepriesterin schneidend.
    »Den wirst ich dein gewisslich nicht geben«, widersprach Matuc auf der Stelle.
    Die Spitze des Gehstabes setzte sich daraufhin auf seine Brust und drückte ihn nach hinten um.
    Mit den Armen rudernd, fiel er in den Matsch. Wütend schlug er mit der Krücke nach dem wertvollen Gehstab, ohne anzunehmen, dass er vielleicht treffen könnte.
    Doch sein Hieb saß.

Weitere Kostenlose Bücher