Unter Den Augen Tzulans
Das untere Ende schnellte nach vorne, das obere, schwerere mit der Silberkappe klappte nach hinten und traf die überraschte Kalisstronin mitten auf die Brust. Damit war es aber noch nicht getan. Der Stab prallte von dem Hindernis ab und fiel seitlich in den Schnee, klingend rissen die Ketten, die sich am Ende verfangen hatten, und die stilisierten Kristalle aus Silber und Diamanten verschwanden im knöchelhohen Weiß am Straßenrand.
Matuc und Kiurikka schauten ähnlich entsetzt in den Schnee, wohin die Kostbarkeiten auf Nimmerwiedersehen geflogen waren.
»Es tut mich traurig. Das wollte ich nichts. Sagst nun nein, das seien ein schlecht Zeichen.« Der Geistliche hob am Boden abwehrend die Hände und schüttelte energisch den Kopf. »Wenn Euch mich meiner Krücke gegeben hättest und ein wenigstens freundlichst gewesen wären, betrügt Ihr Euren Schmuck noch um den Kropf.«
»Dieser Schmuck«, beherrschte sich die Frau mühevoll, »wird von Hohepriesterin zu Hohepriesterin weitergegeben und ist das äußere Zeichen der herausragenden Verantwortung, die mit dem Amt einhergeht. Ich trage ihn normalerweise immer.« Dicke, kalte Flocken tanzten aus den grauen Wolken herab. »Selbst nachts.«
Matuc grinste und blinzelte ihr zu. »So, wie es ausgesieht, ist Kalisstra wohl nein daran gemögt, dass Euch Deinige Insignien so schnellst wiedergefunden sollte. Nein für ungut. Ich helfen Euch gerner, Kiurikka.« Er war schon wieder versöhnt und begann, mit bloßen Fingern im dreckigen, wässrigen Schneematsch zu wühlen. »Zugegeben, es werden nein leicht, bis uns allegar zurückgefunden haben. Wir können uns Siebchens besorgen tun täten.« Wie zum Beweis, hielt er einen der Diamantkristalle, den er ertastet hatte, in die Höhe. »Siehst Euer, Kalisstra erlaubt es sogar zu, dass ein Ulldraelgegläubiger Deinige …« Erst jetzt bemerkte der Geistliche, dass er zu den Schneeflocken sprach. Die Hohepriesterin war gegangen, er sah ihre Gestalt die Gasse hinabschreiten, der Gehstab knallte dabei hörbar auf das Kopfsteinpflaster.
Der Mönch zuckte mit den Achseln. Warum ließ Ulldrael jedes Zusammentreffen zwischen ihm und Angehörigen anderer Gottheiten in einem Fiasko enden? Etwas ratlos mantschte er im Schnee herum. Dies war wieder ein Einstand, wie er es von sich gewohnt war.
Nach mehreren Anläufen gelang es ihm, sich an der Mauer der Seitengasse in die Höhe zu ziehen und die Krücken aufzunehmen. Er würde mit Fatja zusammen Seihen organisieren und notfalls die Pflastersteine einzeln herausreißen, um die verlorenen Kleinode zu beschaffen.
Vielleicht ließ sich ihr Zorn damit besänftigen, wenn er alles vollständig zurück brächte.
Neben der Sorge um die jäh unsicher gewordene Zukunft der Flüchtlinge in Bardhasdronda erfüllte ihn aber auch ein wenig Genugtuung, dass ihm Ulldrael gegen Kiurikka Beistand gewährt hatte. Auch wenn der Beistand sehr nach zufälligem Abgleiten des Stabes aussah, Matuc legte es so aus.
Und es war ihm, als sein Hintern sich im kalten Schnee befand, ein Gedanke gekommen, wie er sehr wohl beweisen konnte, dass Ulldrael der Gerechte auch hier Ernten gelingen lassen würde.
Sobald das Weiß verschwunden sein würde, wollte er sich den Boden rund um die Stadt genauer ansehen. Aller Segen des Gerechten nützte wenig, wenn die Städter und Bauern die elementarsten Regeln der Landwirtschaft nicht beherrschten oder unabsichtlich gegen sie verstießen.
Es wäre doch gelacht, wenn er in diesem Kalisstron nichts zum Wachsen und Gedeihen bringen würde. Und wenn ihm das gelungen war, könnte er seine Lehren verbreiten, denn alle würden sehen, dass der Gott mit ihnen war. Der Kontinent hatte Platz genug für zwei Götter.
Mit Sicherheit hatte Kalisstron genügend Platz für zwei oder sogar mehrere Götter.
Aber die Stadtbewohner reagierten auf den Vorfall, den die Hohepriesterin selbst oder etwaige unbemerkte Zeugen in Bardhasdronda verbreiteten, ungehalten. Dies äußerte sich in zurückgehender Hilfsbereitschaft, und Blafjoll musste mehr als einmal Tjalpali um zusätzliche Gaben bitten.
Fatja hatte dem Mönch gehörig den Kopf gewaschen und ihm schwere Vorwürfe gemacht, die er auch alle hinnahm. Zum Teil gab er sich die Schuld, wollte aber bei der Schilderung des Hergangs die Provokation durch die Hohepriesterin nicht verschweigen. Was ihm gegen die kleine Borasgotanerin wenig brachte, die wegen ihm vier Stunden lang bei Eiseskälte, bewaffnet mit Eimern, Laternen und drei Sieben, in
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