Unter den Linden Nummer Eins
drei Jahre zur See nicht.«
»Danach steht hier etwas von selbständiger Tätigkeit im Gaststättengewerbe – auf Malta!« Louis Adlon hob fragend die Augenbrauen. »Ich kann dem beim besten Willen nicht entnehmen, was das im Detail bedeutet! – Malta kenne ich übrigens flüchtig. Wir haben bei einer Mittelmeerkreuzfahrt einmal den Grand Harbour angelaufen und sind für ein, zwei Stunden an Land gegangen.«
»Ich habe 1927 meine Ersparnisse in eine kleine Bar in Valletta investiert. Zusammen mit einem schottischen Kollegen, den ich bei der Midmed kennengelernt hatte. Es war eine Bar mit Blick über den Grand Harbour. Wir servierten dort auch kleinere Speisen. Mein Partner war gelernter Koch.«
»Interessant«, sagte Louis Adlon, »und wie weiter?«
»Bis Ende neunundzwanzig lief’s ganz passabel.« Karl seufzte und drehte die Handflächen nach oben. »Irgendwann, wenn auch mit geraumer Verspätung, erreichte der Schwarze Freitag auch Malta, und wir mußten den Laden weit unter Wert verkaufen. War kein Einzelschicksal in jenen Tagen. Ein Jahr haben wir noch versucht, etwas Neues auf die Beine zu stellen, hatten aber kein Glück. Ich bin dann nach Deutschland zurück. Mein ehemaliger Partner – wir schreiben uns noch gelegentlich – hat wieder eine kleine Bar aufgemacht.«
Louis Adlon nickte verständnisvoll und lehnte sich gegen den Schreibtisch, spielte mit einem Brieföffner. »Das Adlon hat auch diese weltweite Krise bloß einigermaßen überlebt – die andere große für unser Haus war die Inflation –, weil mein Vater die Umsicht besessen hatte, im Keller einen riesigen Vorrat krisensicheres Kapital einzulagern.«
In Karls Augen blitzte es auf. »Ihr Weinlager, Herr Generaldirektor, war und ist legendär.« Er erzählte ihm von seinem Leutnantsball anno 1913, und Louis Adlon sagte: »Donnerwetter, Ihr Gedächtnis ist ja vorzüglich!«, als Karl ihm die verschiedenen Weine aufzählen konnte, die damals zum Diner gereicht worden waren. »Eine Sammlung von Weltruf«, sagte Karl.
›Und dabei soll es bleiben‹, dachte Louis Adlon. Mich zu ruinieren wird auch dieser verdammten SA nicht gelingen, wenn ich’s verhindern kann. Und das werde ich, bei Gott!‹ Er trommelte mit dem Brieföffner auf die Schreibunterlage. »Und dann, Herr Meunier, sind Sie im Januar vor ziemlich genau zwei Jahren nach Berlin zurückgekommen und verdienen seitdem als freier Übersetzer und Ju-Jutsu-Lehrer, Sie schreiben, das sei eine Gattung von Ringkampflehrer, Ihr Geld. – Was übersetzen Sie denn so?«
»Meist Kurzgeschichten aus dem Englischen. Weihnachten hat die Morgenpost meine Übersetzung von Sweet Rita gedruckt, und davor hat die Berliner Illustrierte mein Maltagold genommen. Von einem wahnsinnig guten Amerikaner. Kennen Sie ihn? Er heißt George K. Iwertou.«
»Hab von ihm gehört«, sagte Louis Adlon. »Aber Übersetzer und Ringkampflehrer, das ist ja eine schillernde Mischung!«
»Ja«, sagte Karl und lachte. »Das ist kaum zu leugnen. Der Meinung ist meine Mutter übrigens auch. ›Kind, was soll nur aus dir werden!‹ – Sie hat immer gewollt, daß ich nach dem Militär zur Bank gehen sollte, aber die haben, wie gesagt, damals mit einem Anglisten und Romanisten nicht viel anfangen können.«
»Heute wohl auch nicht«, sagte Louis Adlon. »Die Zeiten sind rauh. Wissen Sie was, Meunier, Sie sind mir sympathisch.« Karl registrierte mit Freude, daß Louis Adlon das Herr vor seinem Namen fallengelassen hatte. ›Das‹, dachte er, ›macht man doch wohl kaum, wenn man jemanden gleich abwimmeln will.‹
Und Karl sollte sich nicht irren. Louis Adlon richtete die Brieföffnerspitze auf ihn. »Ich hätte Verwendung für Sie. How about your oral English?«
Sie unterhielten sich die nächste Viertelstunde auf englisch, wechselten gelegentlich ins Französische, und Karl erfuhr in groben Zügen, was Louis Adlon sich unter seinem zukünftigen Aufgabenbereich als Hausdetektiv (und Sekretär zur besonderen Verwendung) vorstellte. Das, wie gesagt, in English et en français. Dann legte Louis Adlon den Brieföffner auf die Schreibunterlage und trat auf Karl zu.
»Ich denke, wir sind uns jetzt einig. Seien Sie morgen Punkt acht hier bei mir im Büro, Meunier. Dunkler Anzug, schwarz oder blau, gedeckte Krawatte, schwarze Schuhe.« Er deutete auf Karls. »Auf keinen Fall natürlich dunkelbraune!«
»Selbstverständlich, Herr Generaldirektor!« beeilte sich Karl zu versichern.
»Ich werde Sie dann den wichtigen Leuten im
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