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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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Haus vorstellen. Mit den Räumlichkeiten und dem übrigen Personal wird Sie der Oberpage bekanntmachen. Sie sind also hiermit auf Probe engagiert. Probezeit, darunter verstehe ich sechs Wochen, in denen sich das Adlon von Ihnen ohne Angabe von Gründen trennen kann. Es gibt zwar eigentlich noch eine letzte Eignungsprüfung, aber in Ihrem Fall erlasse ich die Ihnen. – Gemacht?« Louis Adlon reichte Karl die Hand. Der erhob sich und schlug ein.
    »Mit dem größten Vergnügen, Herr Generaldirektor, allerdings möchte ich Sie bitten, mir die letzte – ominöse – Prüfung doch nicht zu erlassen. Ich hätte da so ein ungutes Gefühl, als ob ich etwas schwänzen würde, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Wie es Ihnen beliebt«, sagte Louis Adlon. »Einen Augenblick. Ich muß bloß kurz telefonieren.«
    Karl hörte, wie Louis Adlon sich mit dem Heizungskeller verbinden ließ und darum bat, einen gewissen Schöffler zu ihm hochzuschicken, der würde schon Bescheid wissen, man möge Schöffler ausrichten, alles wieder wie beim letzten Mal, ja und bitte umgehend.
    Als es wenig später an der Bürotür klopfte, hatte Karl von Louis Adlon die Höhe seines Anfangsgehalts erfahren und schlug innerlich Salto. Hundertachtzig Mark während der Probezeit und später dann zweihundertfünfzig. ›Hurra!‹ dachte Karl. ›Ich muß doch nicht in den Schuldturm oder Straßenräuber werden!‹
    Es klopfte.
    »Herein!« sagte Louis Adlon.
    Die Tür öffnete sich. »Zu Diensten, Herr Generaldirektor!«
    Emil Schöffler, genannt Faß-Rüdiger, der Heizer aus der Frühschicht, trug seinen Spitznamen mit Recht. Er war einen halben Kopf kleiner als Karl, dafür aber annähernd doppelt so breit. Der lange blaue Arbeitskittel, den die Leute von der Haustechnik außerhalb ihrer Wirkungsstätten tragen mußten, spannte sich über einen tonnenförmigen Brustkasten. ›Ringer‹, überlegte Karl. ›Ich muß ihn schnell wegpacken. Wenn dieser Kerl seinen Gewichtsvorteil nutzt, seh ich blaß aus!‹
    Louis Adlon deutete auf das Kraftpaket im Türrahmen. »Herr Meunier, würden Sie bitte so freundlich sein und den Mann aus meinen Räumen entfernen!«
    Dem Grinsen von Faß-Rüdiger konnte Karl unschwer entnehmen, daß alle seine Vorgänger an dieser Prüfungsaufgabe gescheitert waren.
    »Wie ich das anstelle, ist egal?« fragte Karl.
    »Wie ist egal!« bestätigte Louis Adlon.
    »Wirklich egal, wie?« fragte Karl den grinsenden Faß-Rüdiger.
    »Wirklich!« antwortete der und marschierte auf Karl los.
    Im selben Moment hatte Karl den Brieföffner auf dem Schreibtisch an sich gerissen und Faß-Rüdiger seinen Mantel ins Gesicht geschleudert. Er warf sich seinem Angreifer zusammengekauert vor die Füße. Faß-Rüdiger, der noch immer mit dem Mantel kämpfte, stolperte über ihn, landete bäuchlings. Als er sich aufrappeln wollte, kniete Karl bereits auf ihm und drückte ihm die Spitze des Brieföffners an den Kehlkopf.
    »Das wär’s denn wohl für heute!« sagte Karl.
    Faß-Rüdiger röchelte etwas Unverständliches und wagte nicht, sich zu bewegen. Der Brieföffner war aus massivem Silber und sollte ein japanisches Samurai-Schwert darstellen. Die Spitze kitzelte seinen Adamsapfel allzu bedrohlich.
    »Ist der Herr Generaldirektor auch meiner Meinung?« fragte Karl.
    »Äh, vortrefflich, mein lieber Meunier, ganz vortrefflich, aber nun lassen Sie den guten Mann bitte los, sonst tun Sie ihm noch ernsthaft weh!«
    Karl wollte dem am Boden Liegenden sogar beim Aufstehen helfen, aber Faß-Rüdiger, zornesrot im Gesicht, verschmähte den dargebotenen Arm und schnellte hoch. »Du … du …!« stammelte er. »Ich mach dich alle!« Und eine Sekunde lang dachte Karl, daß er sich erneut auf ihn stürzen wollte.
    Louis Adlon schien das gleiche zu denken. Er griff in seine Weste und steckte dem Heizer ein Fünf-Mark-Stück in die Kitteltasche. »Nichts für ungut, Schöffler.«
    Der Fünfer ließ Faß-Rüdiger schnell zur Besinnung kommen. »Oh, danke, Herr Generaldirektor. Jederzeit wieder, wenn ich dem Herrn Generaldirektor von Nutzen sein kann.«
    »Sie haben wirklich mehr als ein Bier bei mir gut, Schöffler«, sagte Karl und hob die Nelke auf, die aus dem Knopfloch gefallen war. Er steckte sie sich wieder ans Revers und streckte erneut den Arm aus. Dieses Mal wurde die Hand ergriffen.
    »Sie sind echt verdammt schnell«, brummelte der Heizer und schien sich einigermaßen mit seiner Niederlage abgefunden zu haben.
    »Es war zugegebenermaßen auch

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