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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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nicht ganz fair, was ich da gemacht habe. Im Ring hätte ich vermutlich keinen leichten Stand gegen Sie«, sagte Karl versöhnlich, denn er mochte sich keinen Feind im Hause schaffen, noch bevor er die Arbeit aufgenommen hatte.
    »Herr Meunier ist ab morgen – unter anderem – für die interne Sicherheit im Haus zuständig«, erklärte Louis Adlon und fügte hinzu, als Schöffler ihn mit offenem Mund anstarrte: »Als Hausdetektiv.«
    »Oh«, sagte der, langsam begreifend.
    Karl nickte und schaute Faß-Rüdiger in die Augen. »Ich zähle da auf Ihre Mithilfe, Schöffler, Sie scheinen mir ein Kerl zu sein, auf den man sich verlassen kann, wenn es mal brenzlig werden sollte. Einverstanden?«
    »Einverstanden«, sagte Faß-Rüdiger, nun gänzlich versöhnt. Verschmitzt zu Boden schauend, fügte er hinzu: »Als Ihr Assistent bewilligt der Herr Generaldirektor mir dann vielleicht auch eine kleine Lohnerhöhung …«
    »Raus mit Ihnen, Schöffler, aber ein bißchen plötzlich!« Louis Adlon mußte einen Lachanfall unterdrücken und husten. »Augenblicklich … ab … in den Keller … mit Ihnen!«
    »Natürlich, Herr Generaldirektor, bin quasi schon weg.« Der Heizer machte eine Verbeugung. Als er aus der Tür ging, drehte er sich noch einmal um. Karls und sein Blick begegneten sich. Louis Adlon kämpfte noch immer mit dem Hustenreiz. Der Heizer zwinkerte Karl zu. Karl gab das Zwinkern zurück. ›Gut‹, dachte Karl. ›Spaß versteht der Bursche wenigstens!‹
    Louis Adlon hatte sich endlich von seinem Hustenanfall erholt. »Alle Achtung, Sie haben Ahnung von Menschenführung, Meunier!« Das Telefon läutete. Louis Adlon hob ab, bedeckte die Sprechmuschel mit der Handfläche und sagte zu Karl: »Wir sehen uns morgen. Der Page wird Sie zum Wirtschaftsausgang führen.«
    Karl verstand, daß das Einstellungsgespräch beendet war.
    Fritzchen wußte natürlich schon alles von Schöffler, als Karl ihn ansprach. »Ich möchte zum Ausgang Wilhelmstraße.«
    »Gerne, mein Herr«, sagte Fritzchen, »bitte, hier entlang!« Er schritt ihm voraus und wiederholte: »Gerne, der Herr!« Aber Fritzchen meinte es nicht ehrlich mit dem doppelten Gerne , weil er davon ausging, daß er von dem zukünftigen Hausdetektiv des Adlon Hotels bestimmt kein Trinkgeld erhalten würde. Er sollte sich täuschen. Karl drückte ihm am Ausgang Wilhelmstraße die fünf Groschen in die Hand und hatte binnen einer Dreiviertelstunde die dritte Person im Hause Adlon positiv für sich eingenommen.
    Als Karl auf der Wilhelmstraße stand, wurde Wein angeliefert. Zwei Rollkutscher mit speckigen Lederschürzen entluden eisenbereifte Weinfässer. Karl sah den Glatzköpfigen, der sie herumkommandierte, nur von hinten, aber er erkannte ihn sofort an der Art, wie er mit den Fuhrleuten sprach. Der bornierte Ton seines ehemaligen Unteroffiziers Otto Kassner war Karl selbst nach Jahren noch vertraut im Ohr und zuwider. Die Fuhrleute arbeiteten schweigend weiter und beachteten den Aufseher nicht.
    Kassner, im Winter 1917 in der Etappe von Karl wegen Schiebergeschäften angezeigt und dann von Karl als Mitglied des Kriegsgerichts zu vier Wochen verschärftem Arrest verurteilt, ahnte nicht, daß er beobachtet wurde. Er herrschte die Fuhrleute pausenlos an, als wären sie der letzte Dreck. Während er die Leute antrieb, hatte er die Arme in die Seite gestemmt und wippte auf den Schuhspitzen. ›Immer noch das alte Schwein!‹ dachte Karl und mußte sich beherrschen, um ihm nicht sofort einen kräftigen Tritt in den Hintern zu verpassen. Aber jetzt war auch den Kutschern der Geduldsfaden gerissen. Einer rollte ein Weinfaß auf Kassner zu. Kassner schaffte es gerade noch rechtzeitig, zur Seite zu springen. Der Arbeiter oben auf dem Wagen nahm die schwere Eisenklammer, mit der er die Fässer vom Wagen gehoben hatte, sprang von der Ladefläche und schwenkte sie unmißverständlich vor Kassners Gesicht hin und her. Karl konnte leider nicht verstehen, was der Arbeiter Kassner zuzischelte, aber es wird keine Nettigkeit gewesen sein. Kassner verschwand mit hochrotem Kopf in der Weinhandlung, wilde Drohungen gegen die Arbeiter ausstoßend. Karl hatte genug und ging, bevor der unvorbereitete Anblick Kassners ihm gänzlich die Freude an der Anstellung nehmen sollte. Obwohl er auch drei Wohlgesinnte im Adlon Hotel gewonnen hatte, wußte er bereits jetzt, daß er zumindest auch mit einem unversöhnlichen Feind rechnen mußte.
    Kassner tauchte nicht wieder aus der Ladentür auf, und Karl

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