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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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marschierte schnellen Schritts den Linden entgegen, das Wetter lud kaum zum Flanieren ein.
    Karl hatte außer der Tatsache, wahrscheinlich mit Kassner unter einem Dach arbeiten zu müssen, noch zwei Probleme. Das eine hieß: dunkler Anzug, schwarz oder blau, das andere: Wie sollte er nach Hause kommen?
    ›Bleibt ja wohl bloß laufen‹, dachte Karl und löste so Problem Nummer zwei zuerst.
    Wilhelmstraße, die Linden bis zur Schloßbrücke entlang, dann links durch den Lustgarten und querbeet bis zur Linienstraße 53, zum Pfand- und Leihhaus Schönlein. Dort besprach Karl sein Problem Nummer eins mit Herrn Schönlein. Man einigte sich, daß Karl am Nachmittag den braunen Übergangsanzug und die Manschettenknöpfe vorbeibringen würde, schwarze oder dunkelblaue Anzüge in Karls Größe wären reichlich vorhanden, sagte Herr Schönlein. Fünf Mark für die Krawattennadel erhielt er gleich, ein Schnäppchen für Herrn Schönlein, falls Karl sie nicht wieder auslösen konnte.
    Karl rief Bennos Pension in der Schlüterstraße an. Die Wirtin mußte seinen Trainingskameraden erst aus dem Bett holen.
    »Mensch, Karl, bin erst heut früh in die Falle. Wo brennt’s?«
    »Ich hab die Stelle!«
    »Stelle?«
    »Na, auf den Tip von dir, die im Adlon !«
    »Jratuliere, meen Lieber, daruff müss’n wa natürlich …«
    »Deshalb ruf ich doch an, Benno.«
    »Wie? Jetz jleich? Nix drin, ick trink nie wat am Vormittach.«
    »Klaro. Ich lad dich ja bloß zum Frühstück ein.«
    »Hm, darüber könnte man reden. Wo?«
    »Oben im KaDeWe? So in einer halben Stunde?«
    »Is jebongt. Bis denn.«

7.
    K ARLS ERSTER T AG ALS H AUSDETEKTIV
    Die Schuhe schwarz einzufärben hatte einen ganzen Nachmittag gedauert, aber das Ergebnis war annehmbar. Karl hatte außerdem von Benno zwanzig Mark geliehen, um nicht mit völlig leeren Taschen seinen ersten Arbeitstag anzutreten. Von dem geborgten Geld war er nach Pankow gefahren, hatte Maman einen Strauß Teerosen gekauft, ihr von seiner Anstellung berichtet und sich Vaters Krawatten einpacken lassen. »Nimm sie mit, Junge, wirst sie gebrauchen können. Schadet garantiert nichts, wenn du jeden Tag eine andere umbindest. – Papa«, sie hatte das Wort französisch betont, »hätte sich gefreut, wenn er das noch hätte erleben können. – Sein Sohn arbeitet im Adlon! «
    Um Punkt acht Uhr stand er bei Louis Adlon im Büro. Natürlich ohne Blume im Knopfloch, dafür mit einem dunkelblauen, zum Anzug harmonierenden Seidenschlips mit winzigen gelben Sternen.
    Louis Adlon entfernte ein unsichtbares Stäubchen von seiner Samtweste. Er zog eine Schreibtischschublade auf und holte einen Schlüssel heraus. Der Generaldirektor steckte den Generalschlüssel in die Hosentasche und sagte: »Dann wollen wir mal, Meunier.« Das Vorstellen dauerte jeweils nur ein paar Minuten: Doorman, Telefonistin, Restaurantchef, Küchenchef, Fuhrparkchef, Oberkellner, Leiter der Technik, Verwaltungsdirektor und Oberpage. Der Oberpage war ein ergrauter Mittfünfziger, dem Generaldirektor in Statur und Haltung nicht unähnlich. Er trug einen Schnauzer. Der Bart und auch das Haupthaar waren wie bei Louis Adlon graumeliert. ›They look colonial, somehow‹, dachte Karl und fühlte sich an einige britische Offiziere auf Malta erinnert, außerdem trugen sowohl der Generaldirektor als auch sein Oberpage Anzüge aus unverkennbar englischem Tuch.
    Louis Adlon hatte einen Stammgast erspäht, der im Begriff war, die Halle in Richtung Restaurant-Café zu verlassen. »Ich muß rasch den Baron de Neva willkommen heißen. – Herr Mandelbaum, bitte übernehmen Sie Herrn Meunier, und führen Sie ihn überall herum, damit er das Haus und die Leute richtig kennenlernt.« Er folgte dem Baron mit leicht federndem Gang. Karl erinnerte sich, gehört zu haben, daß der Generaldirektor ein geschätzter Tänzer sein sollte. Die Begrüßung zwischen dem Baron und Louis Adlon war südländisch überschwenglich. In diesem Augenblick trat eine gutgekleidete, gutaussehende Frau um die Dreißig aus dem Café, eindeutig eine Dame der Großen Gesellschaft. Der Pelzmantel, den sie trug, war extravagant geschnitten. Karl taxierte ihn auf mindestens 10 000 Reichsmark. Louis Adlon machte sie mit de Neva bekannt. Mandelbaum runzelte die Stirn.
    »Der Baron de Neva scheint des öfteren im Adlon zu weilen?«
    Der Generaldirektor, der Hotelgast und die Dame verschwanden im Café.
    »Er kommt jeden Winter«, sagte Mandelbaum. »Sie kennen ihn?«
    »Nur vom Sehen«, sagte

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