Unter den Linden Nummer Eins
linken Arm um Bennos Hüfte. »Du bist und bleibst ein altes Schandmaul!« Seine rechte Hand krallte Bennos Judojacke an der linken Schulter. Karl drehte sich ein und versuchte, seinen Partner über die Hüfte zu ziehen. Benno ging in die Knie, machte sich schwer. Karl unternahm einen weiteren Wurfversuch.
Benno stand wie eine Eiche. »Aber, aber, Karlchen, bißchen mehr Schmackes, wenn ick bittn darf!«
»Scheiße«, sagte Karl und versuchte es erneut. Wieder vergeblich.
Bennos Hand tastete von hinten nach Karls Reverssaum. Benno ließ sich auf den Rücken fallen und zwang seinen Partner auf die Matte. Der Reverssaum zog sich vor Karls Kehlkopf. Karl versuchte, einen Arm zwischen den würgenden Stoff zu schieben, aber es war zu spät. Er klatschte ab.
Japsend streckte er alle viere von sich. »Mensch, das ging doch sonst immer.«
Benno schob den Jackenärmel bis zur Schulter hoch und spannte den Bizeps an. »Da, guck mal! Ick mach jetzt täglich zu Hause mit Hanteln rum.«
Karl nickte bewundernd. »Kann sich sehen lassen. Ich bin im Moment schon froh, wenn ich es einmal pro Woche ins Abendtraining schaffe.«
»Tja, die Vera! Wenn denn die Liebe mal zuprüjelt.« Benno kicherte. »Tröste dich, Karl, dafür wirste jetzt vermutlich häufiger Bodenkampf uff weicherem Untergrund üben dürfn als uff ’ner kratzigen Ringermatte.«
Karl drehte sich auf den Bauch, stützte das Kinn in die Handflächen und schaute verträumt in die Luft.
Der Mittwochnachmittag und der Abend waren für Vera reserviert. Karls Umzug nach Pankow stand bevor. Vera wanderte durch die Wohnung am Rosenthaler Platz und half beim Packen. Viel war es nicht, was Karl besaß. Ein Küchenschrank, Tisch, zwei Stühle. Der Waschtisch war in der neuen Wohnung überflüssig. Dann das Bett, eine Kommode und die Bücher. Die Möbel im Wohnzimmer waren zu klobig. Ein Nachbar wollte sie Karl abkaufen. Vera hatte ein Rattansofa mit dazugehörigen Sesseln bei einem Trödler im Wedding aufgetan, die Karl sehr gefielen, weil sie ihn an seine Möbel in Malta erinnerten.
»Wie ist Malta, Karl?«
Karl hockte auf dem Kohlenkasten und verschnürte eine Bücherkiste mit Bindfaden. Er stellte die Kiste zu den anderen und sah Vera an. »Malta ist das Gegenteil von hier. Selbst im Winter, wenn es dort stürmt und regnet, scheint immer mal die Sonne, und du kannst dich hemdsärmlig auf den Balkon setzen. In der Abenddämmerung hocken die alten Frauen vor der Haustür und klöppeln, und die alten Männer rauchen ihre Pfeife. Es gibt auch Winter, die wie unser Frühling sind. Einmal konnte ich noch am Heiligen Abend schwimmen gehen.«
»Karl?«
»Ja?«
Vera wickelte Karls einziges Weinglas in Zeitungspapier, legte es zu den Kaffeetassen in den Wäschekorb. »Versprich mir was!«
Sie setzte sich auf seinen Schoß.
»Whatever you desire, Milady!«
»Karl, laß uns sparen und nach Malta fahren. Wenn du von Malta erzählst, hört es sich an, als wäre es das Paradies.«
Er umarmte sie und drückte ihre Stirn gegen seine.
›Wie kann jemand nur so wissende Augen haben‹, dachte er. ›Dabei könnte sie meine Tochter sein.‹
»Was ist?«
Karl küßte sie auf die Nase. »Wir werden uns ein Zimmer mit Blick über den Grand Harbour nehmen und uns das Frühstück aufs Zimmer bringen lassen, zufrieden?«
»Ein maltesisches Frühstück?«
»Nein. Ein gutes englisches. Orangensaft wird es geben und Lipton Tea. Wir werden gegrillte Tomaten vertilgen und kleine salzige Würstchen. Der Toast wird mit einer weißen Serviette bedeckt sein und die Orangenkonfitüre herrlich bitter schmekken.«
»Und dann?«
»Dann werden wir uns zur Rezeption begeben und ein Karrozzin ordern.«
»Karrozzin? Was ist das?«
»Eine Pferdekutsche, eine Art von Landauer für maximal vier Leute. Sie ist bunt bemalt, und das Pferd trägt einen Strohhut mit Löchern für die Ohren, denn es wird sehr heiß sein. Wir werden unsere leichtesten Sommersachen anhaben und trotzdem schwitzen.«
»Das klingt gut. – Was machen wir dann?«
»Ich werde den Kutscher bitten, uns durch Valletta zu fahren. Die Häuser dort sind aus gelbem Kalkstein und fünf- oder sechsstöckig. Es sind sehr alte Häuser. Zur Straße hin haben sie hölzerne Balkone. Viele Gebäude stammen noch aus der Zeit des Malteserordens und sind mit prächtigen Wappen verziert.«
»Wie sind die Menschen dort, Karl? Sind sie freundlich?«
»Sehr.«
»Sind sie … sind sie … – Ich kannte mal einen Italiener. Er war der
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