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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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schlängelte sich durch den Pulk der amerikanischen Journalisten, die mit ihren britischen Kollegen die Ereignisse des Tages besprachen. Der Polizeioffizier ließ sich überall im Erdgeschoß von Karl umherführen und begutachtete auch die Außenfassade sowie den Eingang in der Wilhelmstraße. Während des Rundgangs machte er sich eifrig Notizen. Für die Sicherheit innerhalb des Hotels war ebenfalls gesorgt: ein Dutzend Kripoleute in dunklen Konfektionsanzügen hatte sich unter die Hotelgäste gemischt.
    Der Polizeileutnant flüsterte: »Sie können unsere Leute ganz leicht erkennen, alle tragen die gleiche Krawatte.«
    »Ich hätte sie auch so identifiziert«, sagte Karl.
    Der Polizist schaute ihn irritiert an.
    »Die Schuhe«, sagte Karl. »Sie tragen Dienstschuhe, die passen selbst zu diesen, äh, einfachen Anzügen nicht so recht.«
    Das Paar, das vorhin nach Schneider gefragt hatte, saß auf einem Sofa und las Zeitung. Die Frau mochte Mitte Zwanzig sein und blätterte in der Times , der Mann erschien Karl nur geringfügig älter. Er studierte den Leitartikel im Völkischen Beobachter .
    »Sind die von Ihnends?«
    Der Leutnant schüttelte den Kopf. »Nee, nee, die sind von einem anderen Verein.«
    Kassner näherte sich dem Paar beflissen und beugte sich zu dem Mann hinunter, flüsterte in dessen Ohr. Der Mann nickte, schrieb etwas auf einen Zettel und gab ihn der Frau. Sie erhob sich, faltete die Times und legte sie auf einen Beistelltisch. Dann strich sie ihren Kostümrock glatt. Das Kostüm war keine Billigware. Ihr Begleiter trug einen gedeckten Zweireiher, der auch nicht von der Stange war.
    Die Frau ging mit Kassner zur Rezeption. Er reichte ihr mit seinem gewinnendsten Lächeln das Telefon.
    Karl taxierte die Frau. Sie hatte sich lässig an den Tresen gelehnt und zeigte viel Bein. Das kastanienrote Haar trug sie lang und offen, wie die Sekretärinnen von der britischen Botschaft.
    Sie spach aufgeregt in den Hörer, dann winkte sie ihrem Begleiter. Er erhob sich augenblicklich, warf den Völkischen Beobachter achtlos auf einen Beistelltisch. Sogleich tauchte ein Hallenpage auf und räumte die Zeitungen weg.
    Hedda Adlon, bereits in Abendgarderobe, betrat walkürenhaft die Halle. Eine Gruppe befrackter IG-Farben-Direktoren schob sich zwischen Karl und die Rezeption und umringte die Frau Generaldirektor.
    Schwer legte sich eine Hand von hinten auf Karls Schulter. »Es ist gut, zu wissen, daß an einem solchen Tag Ihre Augen im Dienste des Hauses wachsam sind.«
    Karl drehte sich zu Holtsen um.
    »Jetzt eine handliche Sprengbombe gezündet – sagen wir von einem Anarchisten –, und die deutsche Industrie wäre eines Großteils ihrer potentesten Wirtschaftsführer beraubt.« Holtsen ließ seinen Blick durch die Halle schweifen. Zwei Herren mit knarrenden Schuhsohlen schlenderten zur Drehtür. »Aber wie ich sehe, haben Sie ja für heute ausnahmsweise staatliche Verstärkung bekommen, damit hier nichts aus dem Ruder läuft.«
    »Kompliment, Kompliment, Sie sind wirklich ein sehr aufmerksamer Beobachter!« Karl machte eine knappe Verbeugung vor dem Dicken.
    »Danke, mein lieber Meunier!« Holtsen überragte die meisten Leute in der Halle. Beinahe andächtig blickte er in die Runde, dann tippte er Karl mit dem Zeigefinger gegen die Brust. »Sie wissen, daß ich Ihr Haus seit Jahren regelmäßig frequentiere, aber ich muß Ihnen gestehen, daß ich selten so viele fremde Gesichter auf einem Haufen gesehen habe. – Obgleich ich den einen oder anderen natürlich noch von früher her …«
    Polizeivizepräsident Bernhard Weiß war alles andere als ein unbekanntes Gesicht. In Begleitung des chinesischen Botschafters verließ er hastig die Lobby.
    Holtsen flüsterte: »Ein Mann mit wenig Zukunft in dieser Stadt, falls ich mich nicht ganz gewaltig täusche.«
    »Das ist wohl anzunehmen«, sagte Karl.
    »Nun, dann will ich mich mal für das Essen nachher in Gala werfen«, sagte Holtsen leutselig. »Und, nicht säumig werden, Meunier.« Er hob, Aufmerksamkeit erheischend, den knubbligen Zeigefinger.
    »Ja?« sagte Karl.
    »Anarchisten«, sagte Holtsen. »Achten Sie auf potentielle Bombenleger und Brandstifter!« Holtsen hatte Louis Adlon an der Drehtür erspäht und schob sich wie ein Eisbrecher durch die Menschenmassen in der Lobby.
    Hedda Adlon und die IG-Farben-Oberen begaben sich zum Fahrstuhl. Karl sah, wie Kassner auf die Drehtür zeigte. Die Rothaarige legte den Telefonhörer aus der Hand und stellte sich auf die

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