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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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Adlon gekommen war, ein Schreibbüro bei Wertheim geleitet hatte. Schneider hatte ihr die Arbeit im Haus verschafft. Mit Lilo konnte Karl weitgehend Klartext reden.
    »Ein österreichischer Gefreiter ist neuerdings unser Reichskanzler, aber danach wirst du vermutlich nicht gefragt haben – nein, hier im Haus lief alles glatt.«
    »Komisch. Klempert von der Rezeption hat mich eben gefragt, was mit der Aktentasche sei, die der Sekretär vom chinesischen Botschafter vermißt. Die Botschaft hätte nochmals angerufen.«
    »Von einer verschwundenen Aktentasche ist mir nichts bekannt. Wann ist denn der Verlust gemeldet worden?«
    »Noch während Kassner Dienst hatte, also vor 23 Uhr, da ging ja erst seine Schicht zu Ende. Er hat übrigens Klempert auch gesagt, daß du dich bereits um den Vorfall kümmern würdest.«
    »Erstunken und erlogen, Lilo! Ich habe seit Wochen kein Sterbenswörtchen mit ihm gewechselt!«
    »Eigenartig.«
    »Mehr als das. – Wie soll denn die Tasche ausgesehen haben?«
    »Eine schmale dunkelgrüne Wildleder-Aktentasche ohne Henkel.«
    Karl durchfuhr es siedendheiß.
    »Ist was nicht in Ordnung, Karl?«
    »Das wäre noch gelinde ausgedrückt!« Er schilderte der Kollegin, was er am späten Nachmittag in der Hotelhalle beobachtet hatte.
    Lilo Fleischer nestelte nervös an der Bernsteinbrosche, die sie als einziges Schmuckstück zu einem langen dunkelblauen Wollkleid trug. »Mit den Geheimen, Karl, legen wir uns besser nicht an!«
    »Daran mag was Wahres sein, Lilo. Aber informier den Generaldirektor trotzdem, wenn er kommt. Ich habe ja morgen frei. Er sollte wissen, mit wem Kassner gute Kontakte pflegt.«

2.
    Z WEI T OTE AUF DER M ILLIONENBRÜCKE
    Als Karl aus dem Taxi stieg, gingen in der Florastraße die ersten Lichter in den Wohnungen an. Auch sein Küchenfenster war erleuchtet. Vera war also schon aus dem Oriental zurück. Im Hausflur begegnete ihm ein Nachbar auf dem Weg zur Frühschicht und brummelte ein verschlafenes guten Morgen!
    Karl trat sich die Füße ab und steckte den Schlüssel ins Schloß. Die Tür wurde aufgerissen.
    Karl schaute in die Mündung einer langläufigen Pistole.
    »Gott sei Dank! Du bist’s!« Der Pistolenlauf senkte sich. Veras Bruder spähte ins Treppenhaus und zog Karl in die Wohnung.
    »Nun mal sachte, junger Mann!« Dann sah Karl die Schweißperlen auf Hans’ Stirn und den blutdurchtränkten Verband am Unterarm. Hans zitterte am ganzen Körper. Karl sicherte die Pistole, die Hans auf die Wäschekommode neben der Flurgarderobe gelegt hatte, und drückte den Jungen auf einen Hocker. »Mensch, was ist denn passiert?«
    Hans schloß die Augen. »Ich dachte, jetzt sind sie da.«
    Karl hockte sich vor ihn und legte ihm die Hände beruhigend auf die Schultern. »Wer, dachtest du, wäre da?«
    »Die Schweinehunde vom Gesundbrunnen.«
    »SA?«
    Hans nickte. »Sie haben uns abgefangen, als wir an der Millionenbrücke ein Transparent anbringen wollten. Sie waren über zwanzig, Polizisten waren auch dabei. Wir waren bloß zu dritt. Sie haben ohne Warnung geschossen.«
    Karl zeigte auf die Pistole. »Und ihr?«
    »Sie hatten Karabiner. Wir hatten nur die eine Pistole und Knüppel. Meine Kameraden hat’s erwischt. Ich hab mich über den Bahndamm und dann durch die Kleingärten davongemacht.«
    »Zeig mal den Arm!«
    »Nicht so tragisch, bloß ein Streifschuß.«
    »Und wie weiter? Wie bist du überhaupt hier reingekommen?«
    »Ich habe Vera im Oriental angerufen. Sie hat mir gesagt, wo sie den Ersatzschlüssel für deine Wohnung hatte. Entschuldige bitte, Karl, daß ich hier so reinplatze, ich glaube es zwar nicht, aber vielleicht hat mich ja doch jemand von den Schweinen erkannt, und da meinte Vera, ich sollte besser nicht in der Koloniestraße bleiben. Ich bin dann nur kurz nach Hause, die Alten haben schon geschlafen. Ich hab mir den Arm verbunden, mich umgezogen und bin sofort hierher. Vera muß übrigens auch gleich kommen.«
    »Hat dich jemand gesehen, als du hier rein bist?«
    »Ich war ganz leise, Karl. Nur im vierten Stock war schon jemand auf.«
    »Das war der Wernecke. Wir sind uns eben im Flur begegnet. Zeig mal trotzdem deinen Arm.«
    Hans wickelte den Verband ab. Es war wirklich nur eine oberflächliche Fleischwunde. Die Blutung war schon gestillt. Karl ging ins Badezimmer und kam mit einer braunen Flasche und einem Gazepäckchen zurück. »Brennt höllisch, aber muß sein.« Er beträufelte die Wunde mit Jodtinktur. »So, das hätten wir!« Karl verknotete die

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