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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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Er faltete die Hände. »Meunier, Karl. Ich bin der Sekretär von Herrn Adlon.«
    Die Nennung des Namens Adlon wirkte Wunder. Fräulein Schwandt entblößte zwei Biberzähne. »Oh, das hätten Sie doch gleich sagen können. Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten, oder einen … Cognac?«
    »Äh …«
    Sie erhob sich.
    ›Haut und Knochen‹, dachte Karl, ›kein Wunder bei diesem üppigen Mittagsmahl.‹ Auch er entblößte die Zähne, sagte schüchtern:
    »Ich muß gestehen«, Karl wrang die Hände, »ich bin Abstinenzler!«
    Fräulein Schwandts Augen funkelten freudig hinter der Froschbrille. »Ich hätte auch ein Glas Löwenzahntee.«
    Karl strahlte sie begeistert an. »Falls Ihnen das nicht zu viele Umstände bereiten würde, liebend gern!«
    »Aber keineswegs.« Sie zog eine Rollschublade auf, stellte ein Teeglas und eine Thermosflasche auf den Tisch und goß ein. »Mögen Sie mit Zucker?«
    »Gottbewahre«, sagte Karl entrüstet. »Zucker ist schädlicher als Alkohol für die Shakras.«
    Fräulein Schwandt hob den entrüsteten Zeigefinger. »Schlimmer als Opium!« Sie trug einen Büroschemel heran. »Was kann ich für Sie tun?«
    Karl nahm ein Schlückchen. »Einfach köstlich!« Er stellte das Glas ab. »Äh … im Vertrauen gesagt, Herr Adlon hat ein kleines Problem.«
    Fräulein Schwandt riß entsetzt die Augen auf. »Um Himmels willen doch nicht etwa mit Harms und Söhne ?«
    Karl warf pathetisch die Arme hoch. »Aber nein! Wir würden uns überglücklich schätzen, wenn alle Firmen, mit denen wir zu tun haben, derart korrekt wären wie Harms und Söhne .« Karl beugte sich vor. Er flüsterte: »Eine Buchhalterin hat einen Beleg verschlampt. Sie kennen diese jungen Dinger. Haben nur ihre Niggermusik im Kopf und lackieren sich die Fingernägel aufs scheußlichste.«
    Fräulein Schwandt nickte entrüstet. »Oh ja, ich weiß.« Liebevoll strich sie über die Tasten der Schreibmaschine. »Arbeit kann wie Meditation sein, aber davon will das junge Gemüse heutzutage nichts hören.«
    »Die japanischen Zen-Mönche sind mein persönliches Vorbild«, sagte Karl. »Arbeit ist Meditation, aber das erzählen Sie mal so einer herausgeputzten Trine! – Also, Herr Adlon hat demnächst eine Steuerprüfung im Weingeschäft. Und Herr Kassner, der einen Ersatzbeleg ausstellen könnte, weilt gerade im Urlaub. Es geht um die zehn Kisten, die ins Oriental geliefert wurden, so um den zwanzigsten.«
    »Ah, ich erinnere mich. Herr Kassner war neulich selbst hier und hat noch den Lieferweg abgeändert. – Moment bitte!« Sie blätterte in einem Aktenordner. »Da ist es schon! Zehn Kisten Veuve Cliquot . Sie sollten am 23. Juli von hier direkt ans Oriental ausgeliefert werden. Ist doch richtig?«
    »Vollkommen, Verehrteste, vollkommen!«
    Sie nahm den Zettel aus dem Ordner und gab ihn Karl. Karl mußte sich beherrschen, um nicht vor Freude an die Decke zu hüpfen. Kassner hatte die unsagbare Dummheit begangen, mit seinem richtigen Namen zu zeichnen, wie stets mit grüner Tinte.
    »Sagen Sie, könnte ich diesen Zettel bekommen? Es würde Herrn Adlon viele Unannehmlichkeiten ersparen helfen.«
    »Das läßt sich ohne weiteres machen. Sie müßten mir bloß, quasi im Gegenzug, freundlicherweise einen neuen Umlieferungsauftrag erteilen. Ich werde ihn einfach zurückdatieren.«
    »Selbstverständlich.« Karl unterschrieb mit Fretzel .
    Fräulein Schwandt hatte etwas auf dem Herzen. Verschwörerisch zauberte sie eine kleinformatige Broschüre auf den Schreibtisch. »Das sollten Sie unbedingt lesen: Runenyoga und Vegetarismus, Wege zur geistigen Macht! « Sie saß kerzengerade hinter der Schreibmaschine. »Der Führer ist auch Vegetarier!«
    Karl ergriff schleunigst die Flucht.
    »Herein!« Louis Adlon stand am offenen Fenster und schaute auf die Linden. Der Generaldirektor wirkte übermüdet.
    Karl schwenkte seine Trophäe. »Jetzt haben wir ihn!«
    Louis Adlon drehte sich um und streckte die Hand aus. Er ließ sich in den Schreibtischsessel fallen. Karl sah ihn erwartungsvoll an. L. A. las und biß die Zähne zusammen. Er erhob sich und trat wieder zwischen die Fensterflügel. Ein Lufthauch blähte die Gardinen. Louis Adlon sagte mit leiser Stimme: »Vortreffliche Arbeit, Meunier! Kompliment!«
    Irritiert sagte Karl: »Das müßte doch für eine fristlose Entlassung ausreichen … Ich verstehe ehrlich gesagt nicht …«
    »Nochmals, Meunier. Sie haben Ihre Sache vortrefflich gemacht, ohne Abstriche!« Er schloß das Fenster und trat auf

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