Unter den Linden Nummer Eins
Macht er natürlich nich selbst, sondern so ’n Waffengeschäft in Eberswalde, nämlich …« Er schaute auf den oberen Zettel. » Jagdwaffen Fretzel .«
»Fretzel?«
»Ja. Jagdwaffen T. Fretzel , in Eberswalde, Blumenwerderstraße 7.«
»Mich tritt ein Pferd, Benno! Mit Fretzel hat Kassner im Adlon die Champagnernummer abgezogen!«
»Dann wird er wohl jetzt die Sparte gewechselt haben, wo er bescheißt. Jedenfalls is da ’n offizieller Wisch, der besacht, daß der Zoll ihm 56 Berettas samt Munition beschlachnahmt hat, weil die Einfuhrpapiere nich jestimmt haben. Und jetzt wird’s richtich interessant: Stempel vom 2. Februar, also erst übermorjen!«
Karl legte seine Anzughose über eine andere Stuhllehne und setzte sich. »Das hieße …«
»Det heißt janz klar, daß da eener am Zinken war. Der Wisch steckte in einem Kuvert, adressiert an ’nen jewissen Doktor Dinkel in Berlin-Wilmersdorf. Mit Marke schon druff, aber noch nich zujeklebt.«
»Dinkel?« Karl dachte nach. »Dinkel! Ja, natürlich. Der schreibt immer die Hetzartikel im Angriff . Er ist ein Intimus von Röhm!«
»Na bitte, paßt doch wie die Faust uffs Auge! Aber et kommt noch ville dicker! Eenen anderen Schrieb, den ick aus dem Köfferchen gefischt habe, da stand druff …«, Benno tippte auf seinen Notizzettel, »… daß Fretzel den Kassner bevollmächtigt, mit Baron Gianni de Neva ’nen Koofvertrach über 56 Berettas abzuschließen, zwecks Export nach Tunis. Und da war det jestrije Datum jeschrieben! Komisch, wa? 56 Knarren, die übermorjen vom Zoll einjesackt werden, verkooft er jestern!«
Karl schlug mit der Faust in die Handfläche. »Dieser gerissene Hund!«
»Nich unjeschickt, det muß man ihm lassen«, sagte Benno. »Nutzt seine Nazikontakte, um irgendwie ’ne Einfuhrjenehmigung für die Schießeisen zu kriegen, streicht vermutlich ’ne satte Anzahlung in und tut denn Dinkel jejenüber so, als hätt der Zoll dat Zeuch aus’m Verkehr jezogen.«
»Und offiziell kann die SA nicht nachhaken, weil die Waffen mit Sicherheit für illegale Aktionen benutzt werden sollten!«
Benno nickte. »Ick frach ma nur, wat der Malteser mit den Pusten in Tunis will.«
»Die bleiben nicht in Tunis. Die braucht er auf Malta.«
»Hä?«
»Einige Malteser mögen die Engländer dort nicht besonders und würden lieber eine Allianz mit Italien eingehen.«
»Du meenst, er plant ’nen Uffstand oder so?«
Karl zuckte mit den Achseln. »Denkbar wäre es. Er kandidiert in Mdina, das ist die alte Hauptstadt von Malta, für eine Partei, die wie ein Abklatsch von Mussolinis Bande organisiert ist.«
»Und warum besorgt er sich die Dinger nich direkt in Italien, sondern schickt se sojar erst nach Tunis?«
»Wenn de Neva in Rom auftaucht, ist er ein bekanntes Gesicht. In Berlin kennt ihn keiner.«
»Da bewahrheitet sich doch der olle Spruch: Im Dunkeln is jut munkeln! – Ick hab mir ooch noch notiert, wie die Spedition heißt, die die Knarren nach Tunis schafft: komischer Laden, kenne eenen der Besitzer, hat früher am Nollendorfplatz Koks vertickt. Schräge Nummer, der Kerl. WeltWeit heißt sein Laden, sitzt inner Chausseestraße Nummer 66.«
»Wie bitte?«
»Biste taub? Chausseestraße!«
Karl lachte trocken. »Kassner wohnt Chausseestraße 65.«
Benno drehte Karl den Rücken zu und ruckelte am Schieber vom Ofenrost. »Und wat machen wa nu mit unsrer Weisheit?«
»Beweise müßte man haben! Und selbst dann! Oder willst du zu diesem Dinkel traben und ihm sagen: Hör mal zu, mein Bester, euer Kumpel Kassner macht krumme Dinger mit euch.«
»Ick? I bewahre, laß die sich doch jejenseitich bescheißen! Nee, det mal nu jerade nich. Aber wat hältste denn davon, wennste dit hier jut uffbewahrst, wer weeß, wenn de det mal gebrauchen kannst.« Benno gab ihm den unteren von den Zetteln, die er in der Hand hielt.
Im Auftrag von Herrn Toni Fretzel, Eberswalde, schließen … Zahlung bei Abschluß des Vertrages … gezeichnet O. Kassner, Baron G. de Neva.
Es war ein Durchschlag vom Kaufvertrag! Karl holte tief Luft. »Wie, zum Teufel …«
»Da staunste, wa?« Benno rieb sich zufrieden die Nasenspitze. »Da warn mehrere Durchschläge im Koffer, und da dachte ick, wenn eener fehlt, fällt’s nich uff. Der Taxifahrer, der se beede zu uns jebracht hat, hat se den janzen Abend durch Berlin kutschiert. Im Puff warn se vorher übrijens ooch. Nee, wenn ihm überhaupt uffällt, dat ’n Durchschlach fehlt, denn kann er lange jrübeln, wo und wann der ihm
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