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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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abhanden jekommen is.«
    Karl nahm den Kaufvertrag. »Klasse, Benno! Damit haben wir ihn in der Hand, falls das mal angesagt sein sollte.«
    »Klaro! Wir müssen den Wisch ja nich persönlich bei diesem Angriff -Dinkel abjeben. Wofür jibt’s denn die Briefträjer?« Benno ging auf die Matte. »Los, Karlchen, aber nu noch ’ne Runde am Boden, zum Abreajieren quasi.«
    Vera war bereits in der Koloniestraße. »Bier, Karl?« Vater Binder wartete die Antwort nicht ab, sondern schnappte den Verschluß von der Flasche.
    »Drei Kartoffelpuffer habe ich dir retten können«, sagte seine Frau, »Ich brat sie dir noch mal auf. Schmecken so eigentlich viel besser.« Mutter Binder zerließ Schmalz in der Pfanne.
    Karl setzte sich neben Vera. »Habt ihr was von Hans gehört?«
    »Er hat in der Kneipe nebenan angerufen. Mutter hat mit ihm gesprochen.«
    »Er ist gut angekommen«, sagte Mutter Binder. »Mein Bruder hat einen Freund in Göteborg, mit dem er Geschäfte macht. Er wird versuchen, daß Hans dort unterkommt. Morgen fahren sie nach Rostock zum schwedischen Konsulat und beantragen ein Visum.«
    Karl nickte anerkennend. »Wenn das klappen würde …«
    Vater Binder reichte den Teller mit den brutzelnden Kartoffelpuffern an Karl weiter.
    »Salz oder Zucker?« Vera langte auf das Küchenregal.
    »Salz, bitte«, sagte Karl. »Das ist ja eine gute Nachricht!«
    »Mir ist erst wohler, wenn der Junge außer Landes ist«, sagte Mutter Binder.
    »Ewald wird’s schon machen«, sagte Vater Binder. »Hast selber gesagt, das mit dem Visum geht zügig.«
    »Hat Ewald gemeint, weil Hans eine größere Ladung Saatgut begleiten soll.«
    »Devisen«, sagte Vater Binder. »Das Reich braucht Devisen, da arbeitet selbst die kapitalistische Bürokratie einen Zacken schneller.«
    Vera gab Karl einen Klacks Apfelkompott auf den Teller. »Mehr?«
    »Danke, reicht!« Karl bestrich die Puffer gleichmäßig mit dem Kompott. »Und in Göteborg?«
    Mutter Binder stellte die Pfanne ins Abwaschbecken. »Ewalds Freund lebt schon lange in Schweden. Er will Hans erst mal als Lagerarbeiter beschäftigen.«
    Karl führte die Gabel zum Mund und wieder auf den Teller zurück: zu heiß!
    »Pusten!« sagte Vera.
    Karl pustete. »Der mir unbekannte Onkel Ewald hat dann heute ein kleines Vermögen vertelefoniert, wenn ich nicht ganz schiefliege.«
    »Unsere Familie hat immer zusammengehalten«, sagte Mutter Binder stolz.
    »Ja«, sagte Vera. »Bei uns kommt keiner um.« Sie kitzelte ihn im Nacken und legte den nächsten Puffer auf seinen Teller.
    »Ich ahne es«, sagte Karl und langte zu.
    »Halt deinen Karl nicht vom Essen ab«, rügte Vater Binder. »Sonst wird er das erste Opfer in der Sippe!«
    Die »Kinder« bekamen ein unangebrochenes Glas Apfelkompott mit auf den Weg.

6.
    A DLON LIVE
    Auch die neuen Zeiten brachten Louis Adlon ein ausgebuchtes Haus. Von Papen blieb Stammgast; Oskar von Hindenburg, der Sohn des Reichspräsidenten, kam häufig. Konstantin Freiherr von Neurath und andere Nicht-NSDAP-Kabinettsmitglieder zeigten sich gelegentlich, während die nationalsozialistischen Größen weiterhin den Kaiserho f bevorzugten.
    Karl hatte alle Hände voll zu tun. Seine Sprachkenntnisse waren in der Regel gefragter als sein eigentlicher Aufgabenbereich als Hausdetektiv.
    Mehrere Tage war er mit einem amerikanischen Reporter von der New York Times unterwegs, der es nicht verbarg, daß er sehr angetan war von Herrn Hitler .
    »Impressive chap, seems to speak the language of ordinary people.«
    Karl war froh, als er abreiste.
    Ein Londoner Journalist, der mit großkarierter Tweed-Pelerine und Sherlock-Holmes-Mütze die Arbeiterviertel mit ihm besuchte, war ihm da angenehmer. Nach einer Molle in einer Weddinger Eckkneipe, wo der exotische Gast wahrscheinlich Gesprächsstoff für die nächsten Tage bieten würde, sagte der Engländer: »Everybody there looked exactly the same as they do in some parts of Manchester or Birmingham: worn out, shabby, beaten!«
    Karl nickte. Der Kontrast zwischen den Linden und der Weddinger Hussitenstraße konnte nicht größer sein.
    Am selben Tag noch wurde Karl wieder einmal bewußt, wie sehr das Adlon eine Insel des Überflusses und des Luxus in einer Stadt war, wo die Leute mit umgehängten Schildern durch die Straßen gingen, auf denen stand: NEHME JEDE ARBEIT AN!
    Eine große Abendgesellschaft im Adlon , Mitglieder des Preußischen Maklervereins, delektierte sich an Fasanenessenz, Austern à la florentine, Hummer Majestik,

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