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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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eine Ahnung, wo Frau Fleischer steckt?«
    Fritzchen hatte.
    Lilo Fleischer kontrollierte in der Silberkammer das Besteck für besondere Anlässe. »Du?« Sie hielt ihm eine Strichliste unter die Nase: »Eine Zuckerzange, acht Mokkalöffel, drei Kuchengabeln – weiter bin ich noch nicht gekommen. Es wird immer schlimmer!«
    Karl machte eine wegwerfende Handbewegung. »Deswegen bin ich nicht hier. – Was war mit der Aktentasche?«
    Lilo Fleischer schürzte die Lippen. »Tjaa …, die ist wieder da.«
    »Komm, Lilo, spuck aus!«
    »Na ja, die dicke Berta hat sie gegen sieben auf einer Herrentoilette im zweiten Stock gefunden. Hinter der Klotür.«
    »Der chinesische Botschafter hatte doch im ersten Stock konferiert!«
    »Vielleicht war da das Klo besetzt, und sein Sekretär ist eine Treppe höher. Sie bechern immer ganz zünftig, die Chinesen.«
    »Und was war in der Tasche drin?«
    »Keine Ahnung.«
    »Komm, Lilo, es ist wichtig! Umsonst ziehen die Geheimen doch nicht so einen Zirkus ab!«
    Lilo Fleischer schaute zu Boden.
    »Bitte, Lilo, ich weiß, es ist nicht korrekt, eine Fundsache zu filzen, wenn man weiß, wer sie vermißt, aber ich versichere dir, ich hätte es in diesem Fall garantiert auch gemacht.«
    »Karl? Ich habe es dir gestern nicht gesagt. Ich habe einen Brief von Oskar bekommen. Kassner ist gemeingefährlich!«
    Karl tätschelte ihr beruhigend die Schulter. »Mir hat er auch geschrieben. Er hat sogar den Verdacht geäußert, daß Kassner zumindest indirekt an Erwins Ermordung beteiligt war.«
    Lilo nickte. »Das erwähnte er in dem Brief auch. – Also, Karl, ich will nicht weiter in die Sache hineinschlittern, sie ist mir zu heiß. Nur soviel: In der Aktentasche waren Fahrpläne und zwei Bahnkarten Erster Klasse nach Prag, gültig ab übermorgen.«
    »Mehr nicht?«
    »Nein. – Nur …«
    »Was?«
    Lilo Fleischer sagte ernst: »Es war bestimmt nicht die Tasche von einem der Chinesen! Das Monogramm, Karl, war ein verschlungenes B und ein W!«
    »Bernhard Weiß«, sagte Karl stimmlos.
    »Ich denke auch«, sagte die Kollegin. »Sie scheinen ihn auf der Abschußliste zu haben!«
    Karl kniff die Lippen zusammen. »Und Kassner hat wieder seine dreckigen Finger mit im Spiel!«
    »Jedenfalls hat ihn die dicke Berta kurz nach sechs im zweiten Stock getroffen. Er soll ziemlich übernächtigt ausgesehen haben.«
    »Sieh mal einer an!«
    »Karl?«
    »Ja?«
    Lilo Fleischer krakelte Strichmännchen auf die Liste. »Bitte, Karl, wir haben heute nicht miteinander gesprochen, und schon gar nicht über die Aktentasche!«
    »Wie sollten wir auch, Lilo? Ich war lediglich nebenan, weil ich meinen Schirm vergessen hatte. Ich habe dich weder gesehen noch gesprochen.« Er öffnete die Tür und spähte auf den Flur. Draußen war niemand.
    Im Lesesaal hielt der Generaldirektor noch immer wortlose Zwiesprache mit seinem berittenen Konterfei. Als Karl seine Vermutungen bezüglich des Besitzers der grünen Wildlederaktentasche äußerte, wurde Louis Adlon sehr nachdenklich. Er trat dicht vor das Ölgemälde und fuhr prüfend mit den Fingerspitzen über den kunstvoll vergoldeten Rahmen.
    Mit leiser, aber fester Stimme sagte er: »Ich würde Sie bitten, Meunier, daß Ihre Vermutungen absolut unter uns bleiben.«
    »Mir ist die Brisanz der Angelegenheit voll bewußt, Herr Generaldirektor. Ich gebe Ihnen mein Wort.«
    »Danke«, sagte L. A. »Und jetzt muß ich ein sehr wichtiges Telefonat führen.«
    »Es regnet noch immer Strippen! Hundewetter!« Der Portier schimpfte und brachte Karl den Mantel und die Büchertüte. »Bei mir zu Hause liegen alle flach und schniefen.«
    Karl zog den Stockschirm aus der Hülle. »Das würde mir gerade noch fehlen! Ich hoffe innigst, dieser Parapluie erspart mir eine satte Erkältung!«
    Der Portier blickte skeptisch auf die Wilhelmstraße. Der Wind peitschte den Regen fast waagerecht über die Straße. »Meine besten Wünsche haben Sie jedenfalls, Herr Meunier.«

5.
    56 B ERETTAS FÜR T UNIS VIA E BERSWALDE
    Benno hatte sich bereits umgezogen und pumpte auf der Matte Liegestütze. Als Karl den Übungskeller betrat, lachte er lauthals los.
    »Mensch, Karl, wat is’n mit dir passiert? Biste herjeschwommen?«
    »Sehr witzig!« grummelte Karl. Benno hatte eingeheizt. Der große Kanonenofen bollerte vielversprechend. Karl hängte Mantel und Anzug über die Besucherstühle und rückte sie vor den Ofen. »Die Hosen kann ich auswringen.«
    Benno betrachtete Karls Trockenaktion mit einem Grinsen. »Mach

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