Unter den Sternen des Südens: Australien-Saga (German Edition)
Stunde später fiel ihr siedend heiß ein, dass sie das Tor der Koppel am Fluss offen gelassen hatte. Widerstrebend verabschiedete sie sich von Jonno. Aber sie trug den warmen Klang seiner Stimme mit sich und sein Lachen, während sie über die dunklen Weiden fuhr, das Gewehr griffbereit für den Fall, dass sie einen Fuchs entdeckte. Das Gras war von schwerem Tau bedeckt, und die Silhouetten der Bäume zeichneten sich vom Nachthimmel ab. Gleich darauf hielt Amanda vor dem offenen Tor, stieg aus und lauschte in die Nacht. Statt der erwarteten Stille hörte sie ein rhythmisches Klopfen, wie das Echo eines Holzfällers, das über den Fluss getragen wurde. Sie folgte dem Geräusch, merkte aber schnell, dass es zu weit entfernt war. Achselzuckend gab sie auf. In einer kalten und klaren Nacht wie dieser konnten Geräusche weit hallen. Wahrscheinlich kam es drüben von Paringa.
Am nächsten Morgen wurde Amanda vom Klingeln des Telefons geweckt.
»Amanda, hier ist Adrian. Tut mir leid, aber ich habe schlechte Neuigkeiten. Fünf von deinen Böcken sind letzte Nacht verendet.«
»Was? Tot? Wie das?«
»Ich tippe auf Wundstarrkrampf. Die Augen waren hervorgequollen, und das Maul war voller Schaum. Vor ein paar Wochen habe ich nach dem Kupieren vier Lämmer durch Tetanus verloren. Jedenfalls sage ich Damo, er soll den Rest aufladen und zu dir bringen. Bis später.«
»Warte! Adrian, eine Tetanusinfektion kann nur durch eine offene Wunde eintreten. Aber meine Schafe waren völlig intakt.«
»Nun ja, eins der Tiere hatte eine Schnittwunde direkt über dem Sprunggelenk. Vielleicht ist es über einen Zaun gesprungen und hat sich dabei verletzt. Hör zu, Amanda, ich bin kein Tierarzt, darum kann ich auch nicht mehr dazu sagen. Fünf Böcke sind tot. Die Kadaver habe ich bereits wegschaffen lassen. Ich kann es mir nicht leisten, sie länger herumliegen zu lassen wegen der Ansteckungsgefahr. Damo bringt dir die anderen rüber. Wiederhören.«
Amanda schwang die Beine über die Bettkante und berührte mit nackten Füßen den Boden. Sie rieb sich die Augen und versuchte nachzudenken, während Mingus am unteren Bettende den Kopf in den Nacken legte und gähnte.
Fünf tote Schafe. Nein, nicht einfach nur Schafe, Jährlingsböcke. Fünf Stück. Ein finanzieller Verlust, den sie sich nicht leisten konnte.
Tja, was nutzt es, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, sagte sie sich schließlich. Aber, verdammt, warum nur musste das passieren?
Amanda wartete in der Nähe der Scheune auf Damo und machte sich nützlich, indem sie den Berg aus Drahtgeflecht und alten Eisenstangen aufräumte, der immer weiter zu wachsen schien, wenn sie nicht hinsah.
»Morgen, Amanda«, rief Damo aus dem offenen Fenster, während er mit dem Transporter rückwärts an die Laderampe setzte.
»Danke, dass du sie mir zurückbringst, Damo. Das weiß ich sehr zu schätzen.«
»Tut mir leid, dass ein paar krepiert sind. Wir sind nicht sicher, woran. Der Boss meint, es war Tetanus. Vielleicht hat er recht, die Symptome stimmen, aber es ging verdammt schnell. Tetanus wird normalerweise erst drei Tage nach der Wundinfektion lebensgefährlich. Aber die Bakterien schwirren zurzeit herum. Wir haben vor einer Weile ein paar Jungtiere dadurch verloren.«
»Mach dir keine Gedanken. So was kommt eben vor.« Amanda war froh, dass die restlichen Tiere augenscheinlich keinen Schaden davongetragen hatten.
»Nochmals vielen Dank, Damo. Ich freue mich, dass meine Schätzchen wieder zu Hause sind.«
»Kein Problem.«
Amanda öffnete das Tor, um die Schafe auf die Koppel zu lassen. Die freuten sich offenbar über den Anblick der grünen Wiesen und trotteten gemächlich über den Trampelpfad, der auf die Weide führte. Ein Tier nach dem anderen bewegte sich durch das Tor und lief weiter zu dem Futterautomaten aus Stahl, der mit Kraftfutter gefüllt war, damit die Böcke vor der Auktion Gewicht zulegten. Mit einem Stoßseufzer schloss Amanda das Tor hinter dem letzten Tier. Sie wusste zwar immer noch nicht, wie es der Herde gelungen war auszubüxen, aber nachdem sie nun wieder auf ihrer Weide stand, spielte es keine Rolle mehr – solange es nicht wieder vorkam.
Amanda stieg in ihren Wagen, wendete und machte sich auf zu ihrem Haferfeld. Auf der Suche nach ihren Jährlingsböcken war ihr aufgefallen, dass die Spitzen der Haferähren gelblich verfärbt waren. Sie öffnete das Tor und fuhr auf das Feld, wobei sie eine Spur aus platt gewälzten Ähren hinter sich herzog. Gleich
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