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Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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einmal fahren? Mir ist gerade nicht danach.«
    Ana Carolina, die sich unter anderen Umständen nicht die Gelegenheit hätte entgehen lassen, darüber zu spotten, nickte jedes Mal und entgegnete höflich: »Aber gerne,
mãe.
Wenn du es möchtest.« Innerlich jubelte sie. Sie liebte es einfach. Das Fahren auf leeren, kurvenreichen Strecken war zwar noch besser, aber das Gewusel in der Stadt, das geschicktes Manövrieren erforderte, gefiel ihr auch nicht schlecht.
    Als plötzlich ein anderes Fahrzeug ausscherte, ohne sich um andere Autos zu kümmern, trat Ana Carolina fest auf die Bremse und hupte den Chauffeur an. »Pass doch auf, du Idiot! Wofür hast du deinen Blinker und den Rückspiegel? Hast du deinen Führerschein in der Lotterie gewonnen?«
    Ihre Mutter schaute sie konsterniert von der Seite an. »Deine Begeisterung fürs Fahren in allen Ehren – aber musst du unbedingt fluchen wie ein Droschkenkutscher?«
    »Ich habe nicht geflucht. Ich habe mich nur ein bisschen echauffiert. Es gibt einfach zu viele Automobilisten in der Stadt, die absolut nicht fahrtüchtig sind. Man sollte den Führerschein ausschließlich solchen Leuten geben, die nicht nur die körperliche Befähigung haben, sondern auch ein gewisses Maß an Intelligenz nachweisen können.«
    »Und du gehörst zweifellos dazu.«
    »Sicher. Wieso, hast du etwa Zweifel daran?«
    »Manchmal schon.«
    »Was ist jetzt schon wieder,
mãe?
Was habe ich Dummes angestellt?«
    »Ach, Schätzchen, lass uns später darüber reden, ja? Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du dich jetzt auf den Verkehr konzentrieren würdest.«
    Ana Carolina entgegnete darauf nichts. Sie kannte diese Art von Dialogen, und es war müßig, ihre Mutter auf den offensichtlichen Widerspruch hinzuweisen. Wer war es denn, der sie immerzu ablenkte? Und indem ihre Mutter sich weigerte, mit der Sprache herauszurücken, lenkte sie Ana Carolina noch mehr ab.
    In letzter Zeit geschah es häufiger, dass Dona Vitória solche vielsagenden Andeutungen machte – und oft entpuppten sie sich später als leeres Geschwätz. Ob das mit dem Alter zusammenhing? Begann bei ihrer Mutter schon der geistige Verfall? Aber nein, dazu war es ja dann doch noch zu früh. Alterssenilität setzte doch nicht schon mit sechzig ein, oder?
    Schweigend setzten sie ihre Fahrt fort, aber mit Ana Carolinas Konzentration war es in der Tat nicht mehr weit her. Andauernd dachte sie über diese Dummheit nach, die sie begangen haben sollte. Was könnte das sein? Der einzige echte Fehler, den sie gemacht hatte, war es, sich je mit António eingelassen zu haben. Aber das war längst vorbei. Drei Monate lag der Karneval schon zurück, drei Monate, in denen sie kaum an etwas anderes als an den schrecklichen Verrat Antónios gedacht hatte.
    Carvalho-Pack!
Wer hätte je gedacht, dass sie dieser Wortwahl ihrer Mutter aus ganzem Herzen zustimmen konnte? Ana Carolinas anfänglicher Hass hatte sich jedoch bald gelegt, er war übergegangen in eine milde Verachtung. Und mittlerweile hatte sie sich wieder gefangen. António war ihr gleichgültig. Er konnte Frau und Familie haben, ja, einen ganzen Stall voll Kinder, ihr war es einerlei. Sie würde ihn nie wiedersehen, dafür wollte sie schon sorgen.
    Bisher hatte es ja auch geklappt. Es war ein bisschen heikel gewesen, Henrique die Gründe dafür zu erklären, warum sie mit einem Mal die Gesellschaft seines Freundes mied. »Henrique, nimm es mir nicht übel, aber dieser Mann wirft mir immer so … begehrliche Blicke zu. Es ist mir unangenehm.«
    »Hat er dich belästigt? Sag es mir, Ana Carolina, Schatz. Du musst es mir sagen, wenn er dir auf eine Art nähergekommen sein sollte, die nicht rein freundschaftlich gewesen wäre.«
    Sollte sie darüber lachen oder weinen? António war ihr viel nähergekommen, als Henrique je wissen durfte, und das sogar mit ihrem Einverständnis. »Aber nein, mein Liebling, so weit ging es nicht. Es ist nur ein ungutes Gefühl, das mich beschleicht, wenn er in der Nähe ist. Triff dich in Zukunft lieber mit ihm allein.«
    »Ana Carolina, wo denkst du hin? Ich treffe mich überhaupt nicht mehr mit ihm, wenn er dir Avancen gemacht hat.«
    Und so hatte Ana Carolina einen Keil zwischen die Freunde getrieben. Für Henrique tat es ihr leid, aber António hatte es nicht besser verdient. Wie hatte er ihr nur seine Ehefrau verschweigen können? Das war unverzeihlich. Er mochte ihr schreiben, so viel er wollte, sie würde keinen seiner Briefe beantworten. Sie wollte ihn nie

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