Unter den Sternen von Rio
noch schneeweiß war, würde es vielleicht als ein Cocktailkleid durchgehen.
»Hast du eine Zigarette für mich?«, fragte sie António.
Er löste eine Hand vom Lenkrad, suchte in seiner Jackentasche nach der Schachtel und hielt sie ihr hin.
»Willst du auch eine?«, fragte sie.
Er bejahte, und sie nahm zwei Zigaretten heraus.
»Feuer?«, fragte er.
Blöde Frage, dachte Caro. Selbstverständlich brauchte sie Feuer, bei ihrem Brautkleid waren praktische Dinge wie Seitentaschen nicht vorgesehen, und Handtaschen hatten Bräute üblicherweise auch nicht dabei, wenn sie vor den Altar traten.
Er reichte ihr die Schachtel mit den Streichhölzern. Caro bückte sich zum Anzünden der beiden Zigaretten so tief wie möglich in den Fußraum, damit die Flamme nicht sofort vom Fahrtwind gelöscht wurde. Dann kam sie wieder herauf und reichte António eine angezündete Zigarette. Wie ein altes Ehepaar, dachte sie. Sie lehnte sich zurück und inhalierte tief. Die Augen hatte sie dabei genießerisch geschlossen. Wie schön es war, am Strand entlangkutschiert zu werden und den ganzen Trubel um ihre vermasselte Hochzeit hinter sich zu lassen. Und wie gut es tat, sich in der Obhut Antónios zu befinden, der besser als sie zu wissen schien, was zu tun war. Sie selber würde jetzt, wären nicht Marie und António gewesen, wahrscheinlich immer noch starr vor dem Altar stehen und fassungslos beobachten, wie die bis ins Kleinste durchorganisierte Zeremonie in kürzester Zeit zum Alptraum wurde.
Als sie in dem prachtvollen Hotel ankamen, war Caro immerhin wieder so gefasst, dass sie an der Rezeption keinen hysterischen Lachkrampf bekam, als die Empfangsdame in konsterniertem Ton sagte: »Aber unsere Luxussuiten sind für heute Nacht bereits ausgebucht.«
António bat darum, einen gewissen Senhor Monteiro zu sprechen, der in der Geschäftsleitung arbeitete. Als der Mann kam, nahm António ihn beiseite, erklärte ihm kurz die außergewöhnlichen Umstände und ließ sich dann den Schlüssel für die Suite aushändigen. Da sie kein Gepäck dabeihatten, verzichteten sie auf die Dienste eines Hotelpagen, doch Senhor Monteiro bestand darauf, sie persönlich hinauf in die sechste Etage zu begleiten.
Die Suite war atemberaubend. Sie war fast hundert Quadratmeter groß und bestand aus zwei sehr großzügigen Räumen, einem Schlafzimmer und einem Wohnbereich, sowie einem Bad ganz aus Marmor. Sie lag zum Meer hin, so dass man aus allen Fenstern nichts als endloses Blau sah – am Horizont gingen der Atlantische Ozean und der Himmel in einer verschwommenen Linie ineinander über. Senhor Monteiro machte sie kurz mit den Annehmlichkeiten des Zimmers vertraut, dann öffnete er die Fenstertüren des Salons und führte sie hinaus auf einen großen Balkon. »Selbstverständlich servieren wir Ihnen das Frühstück auch hier draußen, wenn Sie es wünschen.«
Bei diesen Worten krümmte sich Caro innerlich. Frühstück? Würden sie die Nacht hier verbringen? So weit in die Zukunft hatte sie noch gar nicht gedacht. Ihr war es mehr darum gegangen, einen möglichst großen Abstand zwischen sich und alles zu legen, was mit ihrer grässlichen Hochzeit zu tun hatte. Weiterhin hatte sie sich von ihrer überstürzten Flucht erhofft, ein wenig zur Besinnung zu kommen und sich vielleicht einen Cognac zur Beruhigung ihrer Nerven zu gestatten. Und, ja, auch an den Trost, der in Antónios Umarmung lag, hatte sie gedacht. Aber an eine Liebesnacht? Nein. Danach stand ihr jetzt gar nicht der Sinn.
Dafür überfiel sie auf einmal ein enormes Hungergefühl. Kein Wunder, sie hatte den ganzen Tag noch nichts außer einem Bissen Brot zu sich genommen – wegen der Hochzeit war ihr Magen wie zugeschnürt gewesen. Auf einem Beistelltisch im Salon stand eine große Obstschale,
mit den besten Empfehlungen,
deren Anblick ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Sie klemmte sich die Serviette und das darin eingewickelte Obstmesser unter den Arm, häufte Trauben, eine Orange und eine Banane auf den Obstteller und balancierte ihn bis zu dem Tisch auf dem Balkon. Mit einem zufriedenen Seufzer ließ sie sich auf den Stuhl fallen und machte sich über ihren gesunden Imbiss her.
Wenig später kam António dazu, er brachte eine Flasche Champagner im Kühler und zwei Gläser mit. Er beobachtete Caro lächelnd. »Wir können uns auch etwas Richtiges zu essen aufs Zimmer bestellen«, meinte er.
»Nur zu, wenn du Appetit hast, tu dir keinen Zwang an. Mir reicht fürs Erste das
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