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Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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sollte der Unsinn? Entweder sah man gut aus oder nicht. Sagte man etwa zu einer Zwanzigjährigen, dass sie für ihr Alter sehr hübsch war? Na also.
    Ein Klopfen an der Tür ließ sie aus ihren trüben Betrachtungen hochfahren. Es war León.
    »Vita, was sitzt du hier im Halbdunkel herum? Willst du dir nicht die Verkleidungen der Jugend anschauen? Es ist sehr lustig, sie lachen sich alle kaputt. Allerdings haben sie wohl auch schon am Nachmittag in Copacabana ordentlich gezecht.«
    »Ja, warum nicht?« Vitória, die nur noch von ihrem Mann und von Joana »Vita« genannt wurde, stand auf. »Bin ich froh, dass wir nicht selber auf einen Ball gehen müssen.«
    »Bist du das?«
    »Ja. Du nicht?« Sie legte den Kopf zur Seite und sah ihn abwägend an. »Nein, ich schätze, du würdest dich gern unter das junge Volk mischen und so tun, als wärst du dreißig Jahre jünger. Wie der alte Senhor Leite Silva, erinnerst du dich? Wir haben ihn den ›Sabbergreis‹ genannt.«
    »Vita, komm jetzt einfach mit und hör auf, mich mit derartigen Schmähungen zu ärgern. Es steht dir nicht gut zu Gesicht. Ich meine, willst du als die arme Ehefrau eines Sabbergreises dastehen?«
    Vitória lachte kurz auf, erhob sich und hakte sich bei León unter. »Manchmal hast du ja recht, du alter …«
    »Sag es nicht!«
    »… Charmeur.«
    Sie schlenderten in die Halle, in der sieben erwachsene Personen sich kichernd gebärdeten wie kleine Kinder, während die Kinder quengelnd dabeistanden und neidisch zusahen. Die vier Enkel von Vitória und León hatten sich am Nachmittag verausgabt, waren nun überdreht und sahen nicht ein, warum nicht sie sich verkleiden durften, sondern nur die Erwachsenen. Das war gegen die natürliche Ordnung der Dinge, wie sie sie kannten.
    Ana Carolina und Henrique, Marie und Maurice, Pedro und Francisca sowie Eduardo hatten sich für den Ball im »High Life Club«, der praktischerweise gleich um die Ecke lag, am Largo da Glória, äußerst phantasievoll herausgeputzt. Einzig Cecília, Eduardos Frau, stand missmutig und unverkleidet daneben und versuchte, ihre Kinder zu bändigen. Dass ihr Mann ohne sie auf den Ball ging, nahm sie ihm übel. Aber mitgehen wollte sie auch nicht. »Einer muss sich ja um die Kinder kümmern«, sagte sie mit rechthaberisch vorgeschobener Unterlippe.
    »Aber Cecília, Schätzchen, geh ruhig mit. Dein Schwiegervater und ich sind doch hier, wir sorgen schon dafür, dass den lieben Kleinen nichts passiert«, säuselte Vitória betont süßlich. Das Gluckenhafte ihrer Schwiegertochter war ihr schon immer zuwider gewesen. Und den unausgesprochenen Vorwurf, sie, Vitória, sei nicht in der Lage, die Kinder zu hüten, empfand sie als beleidigend. Hatte sie nicht drei prachtvolle Menschen großgezogen? Also bitte. Da würde sie auch noch mit den kleinen Ungeheuern, wie Ana Carolina und Marie sie nannten, fertig werden.
    »Lass sie«, sagte Eduardo. »Wir haben schon alles versucht.« Insgeheim war er selig, endlich einmal einen Abend ohne seine Frau und in Gesellschaft gutgelaunter Leute verbringen zu können.
    »Wie ihr meint.« Eigentlich, dachte Vitória, war es gar nicht schlecht, dass Cecília daheim bleiben und sich um die Kinder kümmern würde. So hätten sie und León einen ruhigen Abend zu zweit. Auch wenn es sich um ihre eigene Familie handelte – nach ein paar Tagen gingen sie einem alle schrecklich auf die Nerven.
     
    Im »High Life Club« war es brechend voll. Die Stimmung war ausgelassen und erreichte ihren Höhepunkt, als die besten Verkleidungen prämiert werden sollten. Ana Carolina hatte keine Chance, musste sie sich eingestehen, nachdem sie ein paar Frauen in überwältigenden Kostümen gesehen hatte. Von ihrer Gruppe war einzig Pedro in die engere Auswahl gekommen, der als Charlie Chaplin verkleidet war und zum Brüllen komisch aussah, wie er in seinen übergroßen Schuhen watschelte und stolperte. Allerdings war er nicht der einzige Chaplin, so dass er wohl, obwohl er der beste von allen war, nicht gewinnen würde. Es wurde schließlich auch die Originalität des Kostüms bewertet. Dennoch klatschten und jubelten alle laut, als Pedro auf die kleine Bühne stapfte, um sich dem Wettbewerb zu stellen.
    Ihr Lachen blieb Ana Carolina im Hals stecken, als sie sah, mit wem Henrique sich währenddessen unterhielt. António. Er war nicht wirklich verkleidet, trug aber eine Augenmaske in Form eines Flugzeugs, so dass sie ihn nicht auf den ersten Blick erkannt hatte. Pedros kleine

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