Unter der Hand (German Edition)
Pferdenärrin, diese gelten ja als tolerant und als seelisch robust, ihr Glück ausgelagert auf die Koppel oder auf den Rücken des Pferdes. Wenn er mich in München heimsucht, werden wir wohl in das vornehme Reitergeschäft gehen, das seidene Foulards, bedruckt mit Ansichten englischer Jagdgesellschaften, verkauft. Und Hirschlederhandschuhe mit Knopfverschluss am Handgelenk. Vico praktiziert
Outsourcing
, er hat für jedes Bedürfnis einen anderen Adressaten oder Behälter und ist als Manager eines solchen Unternehmens an Bravour kaum zu übertreffen. Ich bin für die ästhetischen, sinnlichen (wohlgemerkt nicht erotischen!) und künstlerischen Bereiche zuständig, und deshalb würde er sich gewiss freuen, wenn ich mich irgendwo auf den nächsten Seiten als Cello-Spielerin entpuppte. Oder zumindest, wegen des missgestalteten kleinen Fingers, als verhinderte Saitenkünstlerin. Vico würde ich übrigens auch zutrauen, dass er gar nicht vorhat, zu lesen oder übersetzen zu lassen, was ich schreibe. Als Wohltäter will er mich einfach in die Gemeinde der Empfänger von Wohltaten einschließen und damit eine Kettenreaktion in Gang setzen: Er und die weichen Umschläge mit den freundlichen Scheinen tun mir gut, die ich wiederum anderen gut tue, die ich mir selbst gut tue, indem ich schreibe. Er gönnt mir das Schreiben als Mundart. Als wachse mir dort der Schnabel, den ich ansonsten so oft halte. Frühgeburten können nämlich gar nicht schreien, diese Fähigkeit entwickelt sich erst in den letzten Wochen des intrauterinen Arrests. Eine Frage der Lunge.
Mit dem zum dritten Mal befüllten Messingkännchen erreiche ich das Schlafzimmer, in dem ein ausladender Farn auf hohem Sockel steht. Eigentlich müsste ich ihn tränken, also einen Wassereimer anschleppen und die ganze schwere Pflanze samt Topf einmal eintauchen. Das ist mir zu schwer. Ich betaste vorsichtig einen der langen Wedel und entschuldige mich für meine Bequemlichkeit. Du hast es geschafft, 400 Millionen Jahre zu überleben, sage ich zu ihm, Kriege, radioaktive Fallouts und Raumsprays überlebt, nun wirst du auch das überstehen. Die Pflanze bleibt ungerührt. Zur Fee eigne ich mich ganz offensichtlich nicht.
Meine Wohnungsbesitzer sind Naturwissenschaftler, Neurobiologen, das hätte ich aus ihrer Einrichtung niemals geschlossen – vielmehr auf professionelle Tarot-Karten-Leser oder Makler getippt. Der Bettüberwurf ist golden, als hüte er einen Schatz. Nein, keine Spiegel über dem Bett, nur in den Innenseiten des Schranks, der begehbar ist und ausgeleuchtet wie eine Theatergarderobe. Ich meinerseits habe ja nie die Hälfte eines Paares ausgemacht, war bestenfalls das der legitimen Frau unbekannte Drittel, mir fehlt folglich die Erfahrung, das Paarsein durch Einrichtung und Wandschmuck zu dokumentieren. Hier gibt die Frau den Ton an. Was würde Franz an meiner Wohnung ändern? Wahrscheinlich Neonbeleuchtung in der Küche einrichten, die für ihn ein Labor ist, nicht eine Vergnügungsstätte. Und dickbodige Töpfe anschaffen anstelle der Wackelkandidaten, die ich besitze. Er würde die blecherne Ansichtskarte mit der Aufschrift
A lovely day for a Guinness
entfernen, die ich von einem Dublin-Besuch mitgebracht habe (zweifellos vermutet er einen sentimentalen Grund), obwohl ich nachweislich nie Bier trinke. Man sieht auf ihr fünf Pelikane im Flug, die auf ihren gewaltigen Schnäbeln je zwei Pints Guinness balancieren, von staunenden Blicken zweier Polizeiwachtmeister begleitet. Die Vögel sind als Halbreliefs ins Blech gestanzt. Der Rahmen der Karte ist rostfarben – die
d’Annunzios
würden
terracotta
dazu sagen – und passt gut zu der im gleichen Ton gestrichenen Wand in meiner Küche. Derlei Überlegungen sind Franz allerdings fremd, er findet auch die rote Wand eine Tollheit. Du schlachtest doch nicht in dieser Küche, oder? Ich sage: Nein, wie kommst du darauf?, und versuche erst gar nicht, ihm das Wertvolle an solch unbedeutenden Entscheidungen wie die zu einer roten Wand zu vermitteln. Er würde nicht verstehen, dass es genau diese Entscheidungen sind, die das Kopfstehen verhindern.
Im Weitergehen reiße ich alle Fenster auf, um die stickige Luft zu vertreiben; die Orchideen, die in einem der Arbeitszimmer in soldatischem Reih und Glied auf der Fensterbank stramm stehen, schaukeln ihre prallen Knospen im Durchzug. Eine letzte Runde, um die Fenster wieder zu schließen, sobald ich auf den dicken Teppichen und Läufern gehe, wird das Geräusch
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