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Unter der Haut (Hauptkommissar Leng ermittelt) (German Edition)

Unter der Haut (Hauptkommissar Leng ermittelt) (German Edition)

Titel: Unter der Haut (Hauptkommissar Leng ermittelt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reimund J. Dierichs
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könnte ihre Halbschwester umbringen wollen? Denn das ist doch deine Vermutung? Etwa aus Eifersucht? Auch jetzt noch, da ihr Vater nicht mehr lebt?“
    „Du magst durchaus Recht haben, aber ich möchte mir hinterher keine Vorwürfe machen, wenn an meiner Annahme etwas dran sein sollte. Du als Vater müsstest das doch verstehen.”

    16

    Der Feierabendverkehr hatte noch nicht eingesetzt, was die Fahrt stadtauswärts erleichterte. Das änderte sich schlagartig, als sie Ehrenfeld erreichten, wo, wie nicht anders zu erwarten gewesen war, das übliche Chaos herrschte, ausgelöst durch eine enge Hauptverkehrsader mit vier verschiedenen Gruppen von Verkehrsteilnehmern und ihren unterschiedlichen Ansprüchen Da jeder das Recht auf seiner Seite sah und deshalb wenig Rücksicht auf die anderen nahm, ließen sich Staus und Hektik kaum vermeiden.
    Zulieferer, die keine Parkplätze fanden, hielten die anderen auf, die sich mit einem Hupkonzert bedankten, was keinem half, aber die Aggressionsschwelle deutlich nach unten verschob; Radfahrer klingelten Fußgänger weg, die sich erdreisteten, die rot markierten Streifen zu okkupieren, anstatt in der für sie vorgesehenen Laufzone zu bleiben, während nur hundert Meter weiter Radfahrer beschimpft wurden, die über den Gehweg bretterten, der ihnen ein schnelleres Fortkommen ermöglichte als der zugeparkte Radweg.
    „Dieses Viertel ist voller Leben“, sagte Leng genau in dem Moment, als keine fünf Meter vor ihnen eine junge Frau an der denkbar ungünstigsten Stelle, vollständig verdeckt von einem U-Bahn-Aufzug, auf die Straße trat. Quietschende Reifen und rutschende Autos waren die unausweichliche Folge. Hinzu kam eine schier unglaubliche Reaktion auf Seiten der Verursacherin, die man bestenfalls mit totaler Überforderung oder einem Todesschreck entschuldigen konnte. In völliger Unkenntnis der Situation beschimpfte sie Prado als Penner, Macho und Gaspedal-Django und fand auch noch ein paar deftige Bezeichnungen, mit dem sie den Fahrer auf der anderen Seite bedachte, der ebenfalls gebremst hatte.
    „Moment“, sagte Prado, stellte den Motor ab und zog die Handbremse an.
    „Du willst doch nicht etwa aussteigen und den Polizisten raushängen lassen?“ Leng versuchte vergeblich, seinen Kollegen festzuhalten.
    „Das war reine Willkür“, antwortete der verärgert. „Es gibt Spielregeln, an die sich jeder zu halten hat, sonst kann ein geordnetes Miteinander nicht funktionieren. Aber keine Angst, ich werde mit keinem Wort erwähnen, dass ich bei der Polizei bin, weil das nur eine neuerliche Schimpfkanonade auslösen würde.“
    Er schwang sich aus dem Wagen, ohne sich Gedanken über den hinter ihnen auflaufenden Verkehr und das wilde Gehupe zu machen.
    „Was wollen Sie denn jetzt noch?“ schnauzte die junge Frau, die Anfang zwanzig sein mochte, ihn an. „Die Schwächsten sind immer die Dummen.“
    „Jetzt hören Sie mir mal einen Moment zu.“ Prado bemühte sich um einen freundlichen Ton, obwohl er ihr am liebsten eine saftige Strafe wegen Beamtenbeleidigung aufgebrummt hätte. „Sehen Sie den hageren Mann dort auf dem Beifahrersitz?“
    Sie nickte.
    „Das ist mein älterer Bruder Edgar, der unter Osteoporose im fortgeschrittenen Stadium leidet. Wissen Sie, was das bedeutet? Seine Knochen sind so brüchig, dass schon eine kleine Erschütterung eine Katastrophe auslösen kann. Wir sind zwar nicht schnell gefahren, aber weil sie, ohne zu schauen, einfach auf die Straße gelaufen sind, musste ich abrupt bremsen. Jetzt hat er einen Brustwirbel gebrochen. Das zu ihrer Bemerkung, die Schwächsten seien immer die Dummen.“
    Sie sah ihn entsetzt an.
    „Wissen Sie, was das für ein Geräusch ist, wenn ein Wirbel bricht? Das ist so ein seltsames Knacken, das einem einen Schauer über den Rücken laufen lässt.“
    „Jetzt hören sie schon auf. Es tut mir furchtbar leid“, sagte sie eingeschüchtert. „Ich weiß halt manchmal nicht, wo mir der Kopf steht. Mein Freund liegt nach einem Sturz mit dem Fahrrad im Krankenhaus, und eben erhielt ich einen Anruf vom Kindergarten, weil dort die Masern ausgebrochen sind. Ich war auf dem Weg dorthin, um unseren Ben abzuholen.“
    „Umso mehr ein Grund, dass Sie auf sich Acht geben“, erklärte er ihr ruhig.
    „Ich weiß.“
    „In welche Trickkiste hast du denn gegriffen, damit sie auf einmal so sanft wurde?“ fragte Leng, nachdem Prado wieder im Wagen saß.
    „Mein Geheimnis“, flüsterte er und startete den Motor. „Ich bin aber

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