Unter der Haut (Hauptkommissar Leng ermittelt) (German Edition)
ich überhaupt keine Probleme. Neugier ist eine durchaus positive Charakte reigenschaft, solange die erworbenen Kenntnisse nicht gegen jemand benutzt werden.“
„Schade, aber sie h aben uns auch so schon genug geholfen“, erklärte Leng und bedankte sich nachdrücklich.
Samira Seldek war aufgestanden mit der Absicht, sich zu verabschieden, als ihr doch noch etwas einzufallen schien. „Ich erinnere mich, dass ich zweimal im Vorübergehen Satzfetzen aufschnappte. Ihn hörte ich sagen, er habe sich all die Jahre über getäuscht und in einen Irrtum verrannt. Das war offenbar eine Replik auf eine ihrer Bemerkungen. Ein anderes Mal nannte er sie durchtrieben und grausam.“
„Sie glauben gar nicht, wie wertvoll Ihre Angaben für uns sind, Frau Seldek.“
Lengs nochmalige Dankesbekundung wirkte auf Prado ein wenig übertrieben. Erst als der Hauptkommissar weiter sprach, wurde ihm klar, wohin der Hase lief.
„Ein schönes Lokal haben Sie hier. Ich komme bestimmt noch mal vorbei.“
„Ich bin von mittwochs bis sonntags hier“, sagte die junge Frau und gab Leng damit unumwunden zu verstehen, wie sehr sie sich über seinen Besuch freuen würde. „Aber warten Sie nicht zu lange. Der Dienstplan kann sich ändern. Am besten sie rufen vorher an.“
„Hat es dir die Sprache verschlagen?“ fragte Prado grinsend.
„Sag, hat sie mich gerade zum Tanz aufgefordert oder sich darüber lustig gemacht, dass ich versucht habe, sie zum Tanz einzuladen?“ Leng starrte Samira Seldek noch immer hinterher.
„Mir hast du immer erzählt, du könntest gar nicht tanzen.“
„Kann ich auch nicht.“
„Dann pass auf, dass du ihr nicht auf die Füße trittst.“
17
Sie befanden sich auf dem Weg zurück ins Polizeipräsidium und fuhren gerade auf der Inneren Kanalstraße zwischen Krefelder und Neußer Straße an dem Teil des Grüngürtels entlang, dessen Forsythienhecke jedes Frühjahr goldgelb leuchtete, als sich Lengs Mobiltelefon bemerkbar machte. Er hörte eine Weile zu, wusste zum Schluss aber nicht, ob er erleichtert oder doch beunruhigt sein sollte.
„Was ist los?“ wollte Prado wissen.
„Entwarnung aus dem Münsterland. Stefanie Burghausen ist auf dem Weg nach Köln.“
„Wie sicher ist das?“
„Laut Aussage ihrer Nachbarin sehr sicher. Der hat sie es nämlich erzählt.“
„Und wenn das nur eine Finte ist, um sich ein Alibi zu basteln?“
„Möglich ist alles, aber glauben mag ich das nicht.“
„Also ist das Kind nicht mehr in der Gefahrenzone“, stellte Prado fest. Was beschäftigt dich dann noch? Du wirkst so nervös.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob jetzt nicht ihre Mutter in Gefahr ist.“
„Irene Eitel?“
„Nein, doch nicht die Mutter des Mädchens. Ich rede von Klara Burghausen.“
„Das ist jetzt nicht dein Ernst?“ Prados Gesicht drückte weniger Erstaunen als vielmehr Zweifel aus. „Du wirst doch nicht annehmen, dass sie jetzt Amok läuft und der Reihe nach alle umbringt, die ihr die Liebe verweigert haben?“
„Amok ist vielleicht der falsche Ausdruck. Sie läuft ja nicht ziellos durch die Gegend, um sich an wildfremden Menschen zu rächen.“
Der Kommissar wollte Lengs Bemerkung, die auf ihn wie eine Belehrung wirkte, so nicht hinnehmen. „ Amokläufe sind in den seltensten Fällen ziellos“, bemerkte er bissig. „Es lässt sich meistens ein Bezug zu den Opfern herstellen. Auch wenn der von uns nicht auf Anhieb nachzuvollziehen ist, folgt er durchaus der Logik des Täters. Warum waren in den letzten Jahren immer wieder Schüler, Lehrer oder Angehörige betroffen? Weil sich der Amokläufer ausgegrenzt, als Sonderling gefühlt hat. Mit dem Gewehr in der Hand kehrt er die Situation um. Plötzlich ist er der Mächtige und alle anderen die Winz-linge. Kein Amoklauf ist ziellos, die meisten sind sehr wohl geplant. Manche werden sogar vorher angekündigt, auch wenn niemand darauf reagiert, was den späteren Täter zusätzlich motiviert, bestätigt es doch den Eindruck, den er immer schon hatte: nicht ernst genommen zu werden.“
Leng konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Er hatte es einige Male erlebt, dass Prado anfing zu dozieren, wenn er sich missverstanden fühlte oder glaubte, der Hauptkommissar zweifle seine Kompetenz an. Das war aber keineswegs der Fall.
„Und trotzdem gibt es einen gravierenden Unterschied zu Stefanie Burghausen“, sagte Leng ruhig. „Hör mir zu und fühle dich nicht sofort angegriffen, auch wenn ich nicht immer deiner Meinung bin. Waren
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