Unter die Haut: Roman (German Edition)
nahm er das Holster mit der Pistole ab, legte es auf den Tisch, und als Nächstes saß er neben ihr. Er fasste nach einem ihrer Füße und massierte mit seinem Daumen den Spann. »Ich hätte wahrscheinlich meine große Klappe halten sollen«, sagte er leise.
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf und sah ihn an. Sofort rutschte sie näher zu ihm, legte ihre Beine über seine Oberschenkel und schlang die Arme um seine Taille. Dann legte sie ihren Kopf an seine Brust und drückte sich so eng an ihn, wie es ging, ohne ihm auf den Schoß zu krabbeln. Verdammt, ihm blieb wirklich keine andere Wahl, als ebenfalls die Arme um sie zu legen.
»Jetzt, wo ich es weiß«, gestand sie, »wundere ich mich, dass ich vorher nie auf die Idee gekommen bin. Es erklärt so vieles, Vincent. Seine dümmlichen Freundinnen. Dass er manchmal so einsam wirkte, selbst wenn gerade eine Frau an seinem Hals hing.« Sie seufzte. »Was für ein Durcheinander. Und weißt du, was das Tragische dabei ist?« Sie lehnte den Kopf zurück, um ihm in die Augen zu sehen.
»Nein, was?« Er strich ihr mit den Fingerspitzen sanft die Haare zurück.
»Er wäre vermutlich genau der Richtige für Jaz. Er ist zuverlässig und anständig und willensstark. Er würde sie auf Händen tragen. Genau der Mann, den sie immer gewollt hat.«
»Aber du glaubst nicht, dass es jemals dazu kommt.«
»Nein.« Das Lächeln, das sie sich abrang, war voller Kummer. »Ich glaube nicht, dass es jemals dazu kommt.«
Ivy ging die Sache einfach nicht aus dem Kopf. Zum ersten Mal war sie mit der Tatsache konfrontiert worden, dass es Dinge im Leben gab, die unerreichbar waren, egal wie sehr man sich bemühte, egal wie mustergültig man sich verhielt. Das widersprach all ihren Überzeugungen. Und da sie selbst bis jetzt nie an einem gebrochenen Herzen gelitten hatte, war es gleichzeitig eine Art Offenbarung für sie … keine, die sie besonders glücklich machte.
Sie war gezwungen, ihre Gefühle für Vincent ein für alle Mal zu akzeptieren. Na ja, vermutlich hatte sie tief in ihrem Inneren schon seit einer Weile gewusst, was sie wirklich empfand, aber das hatte nicht verhindert, dass sie um diese Erkenntnis herumgeschlichen war wie die Katze um den heißen Brei. Es war an der Zeit, es sich offen und ehrlich einzugestehen.
Sie liebte ihn. Und ob das nun gut oder schlecht war, so schnell würde sich daran nichts ändern. Deshalb gab sie es auch auf, sich diese Worte jedes Mal, wenn sie mit ihm schlief, zu verkneifen, und das war im Grunde eine Erleichterung. Das erste Mal, als sie es bewusst laut sagte, in der Nacht nach Terrys Besuch, erstarrte er einen kurzen Moment lang. Sie lag unter ihm, und er hielt mitten in der Bewegung inne, hob den Kopf und sah sie an. Gleich darauf geriet er auf eine Weise außer Kontrolle, wie sie es bisher noch nicht erlebt hatte, seine Hände packten sie so fest, dass es beinahe schmerzte, sein Mund war unersättlich, seine Hüften stießen immer schneller zu. Er schien es offenbar gerne zu hören.
Aber nie erwiderte er etwas darauf.
Es tat weh, das konnte sie nicht leugnen. Aber zumindest schien sich zwischen ihnen eine echte Beziehung zu entwickeln. Daran klammerte sie sich, daran erinnerte sie sich jedes Mal, wenn er bei ihren Worten von Raserei erfasst wurde und ihr gleichzeitig die Erwiderung vorenthielt, nach der sie sich am meisten sehnte.
Das war mehr, als Terry hatte.
Wie üblich ging Ivy ans Telefon.
»Heyheyhey, Bay-bee«, sagte Sherry mit gewohnter Munterkeit. »Wir sind’s, Jaz und ich. Lass uns rein.«
Ivy legte auf, drückte auf den Türöffner und geriet fast in Panik. Sie schnappte sich ihre Schlüssel, holte einen Sechserpack Cola aus dem Kühlschrank und eine Packung Salzstangen aus dem Vorratsschrank und wirbelte zu Vincent herum: »Oh Gott, oh Gott, was soll ich denn jetzt bloß sagen, wie soll ich mich verhalten? Normalerweise ist Jaz diejenige, an die ich mich in solchen Situationen wende, um mir Rat zu holen. Und jetzt ist sie die Einzige, der ich es nicht erzählen kann. Mein Gott, mit wem soll ich denn darüber reden?«
Vincent kämpfte mit einem Anflug von schlechtem Gewissen. Sie hatte versucht, stattdessen mit ihm darüber zu reden, aber er hatte alles in seiner Macht Stehende getan, um sie daran zu hindern, ohne offen damit herauszurücken und ihr zu sagen, dass er mit der Sache nichts zu tun haben wollte.
»Du machst das schon«, versicherte er ihr lahm.
»Vielen herzlichen Dank, D’Ambruzzi«, erwiderte
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