Unter die Haut: Roman (German Edition)
offensichtlich verstört, und Vincent erfasste intuitiv, was mit ihm los war. »Wie lange sind Sie schon in sie verliebt?«, fragte er, bevor er sich überlegt hatte, ob es klug war, diese Frage zu stellen.
Er spürte, wie Ivy erschrocken zusammenzuckte, und bereute es auf der Stelle, dass er sich einfach gedankenlos dazu äußerte – oder besser gesagt, er wünschte, er hätte den Mund erst gar nicht aufgemacht. Sie legte den Kopf schief und sah ihn ungläubig an. »Vincent, wie kommst du denn darauf? Terry ist doch nicht …«
Dann fiel ihr die starre Haltung ihres Cousins auf, und ihr blieben die Worte im Hals stecken. Langsam drehte sie den Kopf, um ihn direkt anzusehen. »Du lieber Gott«, flüsterte sie. »Du bist tatsächlich in sie verliebt. Weiß Jaz davon?«
»Nein! Nein, bist du verrückt?« Er starrte sie für einen kurzen Moment fassungslos an, bevor er sich wieder unter Kontrolle hatte. »Denkst du, ich kann ihr mit so etwas kommen? Mit einer inzestuösen -«
»Hör auf!« Ivy, die den Ausdruck bitterer Selbstverachtung in seinen Augen nicht ertragen konnte, machte sich von Vincent los und ging zu ihrem Cousin, um ihn in die Arme zu nehmen und fest an sich zu drücken. Er rührte sich nicht. »Hör auf damit, Terry. Quäl dich nicht selbst.«
»Aber so ist es doch, Ive.« Er legte den Kopf zurück und sah sie mit einem bewusst ausdruckslosen Gesicht an. »Erinnerst du dich, was Davis darüber gesagt hat, dass die Kinder von Cousin und Cousine als sabbernde Idioten auf die Welt kommen?«, sagte er nüchtern. »Und wie geht dieser alte Witz gleich noch mal – Inzest ist in Ordnung, solange es in der Familie bleibt? Ich habe jedenfalls nicht die Absicht, sie mit meinen Gefühlen zu belasten. Gott, alles, was Jaz jemals vom Leben gewollt hat, sind ein netter Ehemann und Kinder.« Terry sah Ivy mit undurchdringlichem Blick an, aber in der Tiefe konnte sie einen Schimmer seiner Qual erkennen.
»Ach Terry«, flüsterte sie hilflos, und das Herz tat ihr weh vor Mitleid mit ihm.
In der Hoffnung, die Spannung zu vertreiben, die plötzlich im Wohnzimmer herrschte, sagte Vincent aus einem Impuls heraus: »Wenn Sie wollen, kann ich ihren Freund durch den Computer laufen lassen – nur um sicherzugehen, dass er sauber ist.«
Terry befreite sich aus Ivys Umarmung, trat einen Schritt zurück und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Ich weiß nicht mal, wie der Kerl mit Nachnamen heißt«, murmelte er. Dann ließ er die Hand sinken und sah Vincent direkt an. »Aber ich könnte es rauskriegen.« Er nickte und nutzte die Gelegenheit, um nicht länger über seine aussichtslose Liebe sprechen zu müssen. »Danke, D’Am bruzzi, ich weiß das zu schätzen.«
Kurz danach ging er und ließ Vincent mit einer unglücklichen Ivy zurück, die sich bemühte, mit der neu gewonnen Erkenntnis fertig zu werden.
Vincent sagte nichts. Er hatte sich schon viel zu sehr in ihre Angelegenheiten hineinziehen lassen. Das hatte er nicht im Sinn gehabt, als er sie aufgefordert hatte, bei ihm einzuziehen. Er hatte einfach nur an eine nette, unkomplizierte Liebelei gedacht. Gut, eine Beziehung, aber nichts allzu Ernstes, nichts, was zu tief ging. Es sollte ihm eigentlich egal sein, was ihr Onkel von ihm hielt. Er sollte sich eigentlich nicht in die Probleme ihrer Familie verwickeln lassen.
Und das würde er auch nicht tun, verdammt noch mal. Er hatte vor, den Hurensohn, der hinter ihr her war, zur Strecke zu bringen und dafür zu sorgen, dass er für lange Zeit hinter Gittern verschwand. Und dann würde sie wieder in ihre eigene Wohnung ziehen, basta.
Er ließ sie nicht aus den Augen und beobachtete sie, ohne dass sie es merkte, wie sie kläglich zusammengesunken mit angezogenen Knien in einer Ecke des Sofas saß und ein Kissen an die Brust presste. Nachdenklich starrte sie auf ihre bloßen Zehen. Sollte sie sich mit ihren Empfindungen angesichts der überraschenden Gefühle, die ihr Cousin für ihre gemeinsame Cousine hegte, allein auseinander setzen. Damit hatte er nichts zu tun.
Er sammelte die verstreuten Teile der Zeitung ein, faltete sie ordentlich zusammen und legte sie aufeinander. Dann nahm er die Tassen und Teller, die sie vorhin benutzt hatten, und trug sie in die Küche. Als er zurückkam, saß sie genauso da, wie er sie verlassen hatte, und musterte immer noch mit einem unglücklichen Gesicht ihre Füße. Er räumte ein paar andere Sachen weg – das meiste davon gehörte ihr, wie er verdrossen feststellte. Dann
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