Unter die Haut: Roman (German Edition)
erkannte.
»Mein Gott, D’Ambruzzi«, sagte sie bemüht gelassen, während sie wieder eine normale Haltung einnahm und die Hände in die Taschen ihres Rocks steckte, um ihr Zittern zu verbergen. »Sie haben mich zu Tode erschreckt.« Sie war normalerweise ein freundlicher, zugänglicher Mensch, aber dieser Typ ging ihr allmählich richtig auf die Nerven.
»Tut mir Leid«, sagte er. »Sind Sie ein Fan von Creedence Clearwater, Doktor?«
»Was?« Seine Frage überraschte sie, und sie schüttelte verwirrt den Kopf. Sie hätte mit allem Möglichen gerechnet, aber nicht mit so einer Frage. »Meinen Sie die Band Creedence Clearwater Revival? Ja, klar. Man könnte mich wohl als Fan bezeichnen. Ich mag ihre Musik.«
»Erinnern Sie sich an ›Bad Moon Rising‹?« Er trat zu ihr und gab mit einer angenehmen Baritonstimme ein paar Töne von sich. »Ich kriege diesen Song nicht mehr aus dem Kopf. Seit drei Monaten setzt er sich bei Vollmond in meinen Hirnwindungen fest wie eine Zecke an einem Hund, und ich werde ihn nicht mehr los.«
Ivy bemühte sich vergeblich zu verstehen, wovon er redete, aber sie war einfach zu müde. Während sie sich die Schläfen rieb, musterte sie sein Gesicht und wünschte, sie würde ihn nicht so attraktiv finden. Wo war dieser verkniffene, verdrießliche Ausdruck auf seinem Gesicht, wenn sie ihn brauchte? »Tut mir Leid, Detective, aber ich fürchte, ich kann Ihnen nicht ganz folgen. Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ich will darauf hinaus, Doktor, dass ein Vergewaltiger frei herumläuft, den ich gern hinter Gittern sehen würde. Dieser Mann ist erfüllt von Wut, er ist gemein, und er schlägt einmal im Monat zu, und zwar bei Vollmond.« Einen Moment lang starrte er auf die runde Scheibe, von der die Rede war, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder ihr zu. »Ich hatte immer eine Schwäche für den Vollmond, vor allem im Herbst, wenn er groß und tief am Himmel steht. Aber inzwischen bin ich so weit, dass ich mich vor ihm fürchte, weil ich weiß, dass diesem gewalttätigen Kerl irgendwo in der Stadt wieder eine junge Frau zum Opfer fallen wird. Und Sie können mir glauben, wenn ich Ihnen sage, dass sie eine Narbe zurückbehalten wird, Doktor. Und zwar ihr Leben lang, seelisch und körperlich.«
»Das ist furchtbar«, sagte Ivy, »aber was hat das mit …?« Was für eine intelligente Frage, Pennington . »Oh … natürlich. Bess Polsen.«
»Ja, Bess Polsen.« Vincent strich sich resigniert die Haare aus der Stirn. Einen Moment lang blickte er geistesabwesend in die Ferne. Dann sah er sie erneut so durchdringend an, dass sie kaum zu atmen wagte. »Hören Sie«, fuhr er in einem Ton fort, der »Glauben Sie es oder glauben Sie es nicht« zu sagen schien, »es tut mir Leid, dass ich vorhin hereingeplatzt bin, als Sie alle Hände voll zu tun hatten. So etwas tue ich normalerweise nicht, aber dieser Fall ist so frustrierend, dass ich das Gefühl habe, mich nur noch im Kreis zu bewegen. Ich kann wohl nicht mehr klar denken.«
Das klang beinahe wieder aggressiv, und im Übrigen hatte Ivy auch schon elegantere Entschuldigungen gehört.
Dennoch.
Sie wäre jede Wette eingegangen, dass ihm weder besonders oft eine Entschuldigung über die Lippen kam noch dass es ihm besonders leicht fiel, und auch wenn ihm diese hier nicht gerade geglückt war, hatte er doch wenigstens den Versuch unternommen. Sie beschloss, Gnade walten zu lassen. »Okay.«
Er blinzelte verwirrt. »Okay?« Das war ja einfacher gewesen, als er gedacht hatte.
Sie nickte.
»Also arbeiten Sie in diesem Fall mit mir zusammen?«
»Soweit mir das möglich ist«, erwiderte Ivy. »Ich kann Ihnen die Ergebnisse meiner Untersuchungen mitteilen. Aber Ihnen ist sicher klar, dass sich Bess Polsen jetzt nicht mehr in meiner Obhut befindet und dass die meisten Proben, die ich vorhin genommen habe, bereits auf dem Weg ins Labor sind.«
Er stellte ihr eine Menge Fragen, und sie beantwortete sie ihm auf dem kühlen, mondbeschienenen Parkplatz so präzise und ausführlich wie möglich. Schließlich klappte er sein Notizbuch zu und schob es in die Innentasche seines leichten Sommerjacketts. »Danke«, sagte er. »Ich weiß Ihre Kooperation zu schätzen. Wenn Sie mich jetzt noch an meinem Auto absetzen, begleite ich Sie nach Hause.«
»Ach nein«, wehrte Ivy ab. »Das ist nicht nötig.«
»Ich denke doch.«
Sie sah ein, dass er darauf beharren würde, deshalb gab sie nach. Mittlerweile hätte sie sich mit fast allem einverstanden erklärt, wenn
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