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Unter die Haut: Roman (German Edition)

Unter die Haut: Roman (German Edition)

Titel: Unter die Haut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Andersen
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Niemanden.
    Er lachte freudlos auf, während er nach einer Aktenhülle für seine Aufzeichnungen suchte. Was hatte sie bloß an sich, das ihn dazu brachte, sich Fantasien hinzugeben? Er hatte sich stets geweigert, die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen, selbst wenn diese Wirklichkeit nicht erfreulich war und nicht seinen Wünschen entsprach. Darauf war er schon lange stolz gewesen. Aber dieses Mal hatte ihm die Wirklichkeit ein Schnippchen geschlagen, so viel stand fest.
    Während Vincent seinen Schreibtisch aufräumte, das Licht löschte und abschloss, versuchte er, Argumente zu seiner Verteidigung zu sammeln. Um einen Anflug von schlechtem Gewissen zu vertreiben, führte er all die Gründe auf, die ihn in der Vergangenheit davor bewahrt hatten, sich auf eine Beziehung einzulassen. Er listete auf, was LaDonna ihm angetan hatte; er sagte sich, dass es ein rücksichtsloses Zeitalter war, in dem er lebte, eines, in dem Krankheiten offenbar besser gediehen als die meisten Beziehungen. Das Wissen, dieses Mal wirklich alle Brücken hinter sich abgebrochen zu haben, sollte es ihm eigentlich leichter machen, ihr Bild ein für alle Mal aus seinem Kopf zu verbannen.
    Aber es funktionierte nicht. Irgendwie hatte es Ivy Pennington geschafft, den Schutzschild zu knacken, den er um sein Inneres gelegt hatte. Er fühlte sich nicht mehr wohl in seiner Einsamkeit, und was einst ein Trost gewesen war, verursachte ihm jetzt nur noch ein Gefühl von Verlassenheit.
    Tja, Pech. Er war ein erwachsener Mann, kein unreifer Jüngling mehr, und was geschehen war, war geschehen; es hatte keinen Sinn, endlos darüber nachzugrübeln. Auf der Fahrt nach Hause kam er jedoch zu dem Schluss, dass es nur eine Möglichkeit gab, an der hoffnungslos verfahrenen Situation mit Dr. Ivy Pennington irgendetwas wieder gutzumachen. Er musste den Vergewaltiger zur Strecke bringen, der wusste, wer sie war.

6
     
    Sein Name war Tyler Griffus. Er war dreißig Jahre alt, besaß einen eigenen Laden, und viele hielten ihn für einen attraktiven, begehrenswerten Mann. Nach allgemeinen Maßstäben galt er als guter Bürger, und bis auf eine Nacht jeden Monat führte er eigentlich ein relativ normales Leben. Doch jetzt begann sich wieder der Jäger in ihm zu rühren. Die Stimme in seinem Kopf hatte erneut angefangen, die bekannte Litanei von Forderungen herunterzubeten.
    Gott, wie er das hasste. Nein, nicht die Gewalttätigkeiten, zu denen ihn die Stimme aufforderte – das Gefühl uneingeschränkter Macht genoss er, das er in diesen kurzen Augenblicken der Unterwerfung und der darauf folgenden Phase friedvoller Ruhe empfand. Aber die Forderungen, die unaufhörlich in seinem Kopf widerhallten, waren etwas anderes.
    Was sollte das? Es war schließlich nicht so, dass er irgendetwas tun konnte, um mit der Wut, die in ihm tobte, fertig zu werden. Sollte man da nicht erwarten, dass die Stimme einfach die Klappe halten und ihn in Ruhe lassen würde?
    Aber nein. Sie knurrte und zischte … und dann gönnte sie ihm nur eine Nacht pro Monat, um die Wut herauszulassen – eine einzige lausige Nacht, um all die aufgestaute Wut loszuwerden. Ihm war bloß ein kurzer Moment des Triumphes und der Befreiung vergönnt.
    Der Rest war nichts als Scheiße, und er hätte gut darauf verzichten können.
    Es war noch zu früh, um seinen inneren Dämon zu besänftigen, und so suchte er wie häufig in letzter Zeit Ablenkung, indem er an die Ärztin dachte. Sie war inzwischen zu seinem Talisman geworden, ein Trost bei all dem Geschrei der nervtötenden Stimme, die unablässig seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen versuchte.
    Er hätte ihr gern etwas Originelleres als Blumen geschickt. Es war wirklich kein besonders einfallsreiches Geschenk, er hatte schließlich tagtäglich von früh bis spät mit Blumen zu tun. Natürlich hatte er jede einzelne Blüte sorgfältig ausgesucht und mit verschwenderischer Hand einen Strauß zusammengestellt, aber trotzdem …
    Mit gewohnter Vorsicht hatte er gewartet, bis seine beiden Angestellten abends gegangen waren, bevor er angefangen hatte, das Bouquet zu binden. Als er mit seinem Werk zufrieden war, hatte er aus der Schachtel, die er in einer verschlossenen Schublade in seinem Büro aufbewahrte, ein Paar OP-Handschuhe genommen und übergestreift, um die Karte und den Umschlag zu beschriften. Dann hatte er die Vase sorgfältig abgewischt. Aus jener Zeit, als er noch jünger und dümmer gewesen war, befanden sich seine Fingerabdrücke in der Kartei,

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