Unter die Haut: Roman (German Edition)
sie die Aufmerksamkeit dieses Psychopathen erregt haben, desto sicherer sind Sie. Ich habe einen riesigen Berg von Fällen auf dem Schreibtisch liegen und kann mich nicht ausschließlich auf diese Sache konzentrieren.«
Er hätte genauso gut mit der Wand sprechen können. Gereizt rutschte er auf seinem Stuhl hin und her. »Verdammt noch mal, Ivy, jetzt seien Sie doch nicht so stur! Sie brauchen jede Hilfe, die Sie bekommen können. Wenn Ihre Freunde und Ihre Verwandten über die Situation Bescheid wissen, dann können sie Ihnen helfen, indem sie die Augen offen halten. Ich werde mich mit dem Sicherheitsdienst des Krankenhauses in Verbindung setzen und mit den Krankenschwestern, Pflegern und Ärzten in Ihrer Abteilung sprechen. Aber Sie sollten sich besser damit abfinden, dass ich auch mit Ihrer Tante und Ihrem Onkel sprechen werde. Sie haben die Wahl: Sie können es ihnen vorher von sich aus erzählen oder es mir überlassen, sie damit zu überraschen – es liegt ganz bei Ihnen. Ich denke, sie werden wesentlich weniger schockiert sein, wenn Sie sie darauf vorbereiten.«
Ivy stellte die Teller mit einem lauten Scheppern zurück auf den Tisch und sah ihn mit versteinerter Miene an. »Verdammt noch mal«, sagte sie mit leiser, zorniger Stimme. »Das ist mein Leben, um das es hier geht! Nicht Ihres, nicht das eines gesichtslosen, unglücklichen Opfers – meins! Aber eigentlich sollte es mich nicht überraschen, wie Sie sich aufführen. Sie haben ja noch nie einen Gedanken daran verschwendet, was ich eigentlich will, oder?«
Ohne ihm die Möglichkeit zu lassen, etwas zu erwidern, machte sie auf dem Absatz kehrt und lief in die Wohnung.
8
Er holte sie an der Eingangstür ein und stemmte sich mit einer Hand dagegen, um sie daran zu hindern, die Wohnung zu verlassen. »Sie sind zu mir gekommen, weil Sie wollten, dass ich Ihnen helfe«, sagte er.
»Und jetzt gehe ich wieder«, sagte Ivy mit dem Gesicht zur Tür. Sie hatte sich nicht umgedreht, als plötzlich seine Hand über ihre Schulter gegriffen hatte, und sie drehte sich auch jetzt nicht um.
»Um was zu tun?«, fragte er mit trügerischer Sanftheit. »Die Sache selbst in die Hand zu nehmen?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht.« Aber sie fing bereits an, sich albern vorzukommen, und ihr war klar, dass sie sich aufführte wie ein trotziges Kind, das seinen Willen nicht bekam. Was sie aber selbstverständlich nie zugegeben hätte.
»Verdammt noch mal, Ivy!« Vincent hatte keinerlei Interesse daran, mit ihr herumzustreiten. Er musste sich vielmehr zusammenreißen, um keinen Wutanfall zu bekommen. Sie hatte eine Art, in seinem Leben aufzutauchen und wieder zu verschwinden, bis er nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Er packte sie an den Schultern und drehte sie zu sich herum. »Das war’s dann also? Sie kommen zu mir und bitten mich um Hilfe, aber wehe, ich sage etwas, was Sie nicht hören wollen, dann verschwinden Sie einfach wieder, ohne dass wir darüber reden? Na gut, dann hauen Sie eben ab.« Er ließ ihre Schultern los und trat einen Schritt zurück. »Das scheint ja Ihre übliche Reaktion zu sein, wenn Sie sauer sind.«
Ihr Kopf fuhr in die Höhe, und sie blickte ihm in seine zusammengekniffenen dunklen Augen. »Meine übliche Reaktion? Mein Gott, D’Ambruzzi, das ist wirklich ein starkes Stück, wenn ausgerechnet Sie das sagen.«
»Lassen wir jetzt endlich das Drumherumgerede und sprechen über diese Nacht, Ivy?« Er stützte sich links und rechts von ihrem Gesicht mit den Händen gegen die Tür und beugte sich über sie. »Meinst du, du schaffst es, lange genug zu bleiben, um dir die Gründe anzuhören, warum ich verschwunden bin, nachdem wir miteinander geschlafen haben?«
Er war nicht weniger überrascht als sie, dass er bereit war, dieses heikle Thema zur Sprache zu bringen. Bis zu diesem Augenblick hatte er gedacht, er würde es auf sich beruhen lassen, sie einfach gehen lassen, aber jetzt stellte er fest, dass es notwendig war, reinen Tisch zu machen. Er hatte es satt, sich schuldig zu fühlen, und er würde es nicht zulassen, dass sie ihn mit ewiger Verachtung dafür strafte. »Darauf läuft es letzten Endes hinaus, oder? Du bist nicht bereit, mir zu vertrauen – weder als Mann noch als Polizist -, weil ich mit dir geschlafen habe und dann gegangen bin.«
»Das hat damit überhaupt nichts zu tun«, widersprach sie heftig. Sie sah ihm direkt in die Augen, fragte sich dabei jedoch, ob er vielleicht Recht hatte. Weigerte sie
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