Unter die Haut: Roman (German Edition)
sich, einen Rat von ihm als Polizist anzunehmen, weil er sie auf einer persönlichen Ebene verletzt hatte? Sie glaubte nicht, aber sie war sich ganz sicher, dass sie auf keinen Fall jetzt mit ihm darüber reden wollte.
»Aber natürlich«, hielt er ihr entgegen.
»Es hat nichts damit zu tun!« Sie starrte in sein beherrschtes Gesicht, das keine Gefühlsregung erkennen ließ. »Ich habe einfach beschlossen, mit dieser Situation allein fertig zu werden.«
»Ach ja? Und wie hast du vor, das anzustellen, Pennington? Sag mir doch mal, wie du mit den Aufmerksamkeiten eines Vergewaltigers umgehen willst, wenn dich schon eine winzige Nachricht von ihm so aus der Fassung bringt, dass du nicht mehr klar denken kannst. Mein Gott, du hattest die Konzentrationsfähigkeit eines zweijährigen Kindes, als du heute Abend hier aufgetaucht bist. Ich musste alles, was ich sagte, dreimal wiederholen, bis es zu dir vorgedrungen ist.« Er sah den trotzigen Zug um ihren Mund und fuhr fort: »Und ganz gleich, ob du mit deinem Onkel und deiner Tante redest oder ob ich es tue, ich werde ihnen auf jeden Fall ein paar Fragen stellen.«
»Nein!«
»Doch«, sagte er, und die Tatsache, dass er es zwischen den Zähnen hervorpresste, ließ es nicht weniger endgültig klingen. Er meinte es ernst, und um das zu unterstreichen, stieß er sich von der Tür ab, drehte ihr den Rücken zu und ging zurück ins Wohnzimmer. Sollte sie doch bleiben, wo der Pfeffer wächst.
Ivy war zu wütend, um gleich zu gehen. Wild entschlossen, die Situation ein für alle Mal zu klären, stürmte sie hinter ihm her. Sie holte ihn beim Sofa ein, packte ihn am Arm und riss ihn mit aller Kraft zu sich herum. »Für wen hältst du dich eigentlich?«, fragte sie mit wuterstickter Stimme.
Vincent befreite mit einem Ruck seinen Arm aus ihrem Griff und beugte sich so weit zu ihr herunter, dass sich ihre Nasen fast berührten. Er war nicht weniger wütend als sie. »Das kann ich dir gerne sagen. Ich bin der für diesen Fall zuständige Detective! Wenn du mich persönlich bestrafen willst, dann tu das. Aber sag mir nicht, wie ich meinen Job zu machen habe. Du würdest es dir ja auch nicht gefallen lassen, wenn ich auf die Idee käme, dir zu erklären, was ein Arzt zu tun hat, und ich werde den Teufel tun und mir hier anhören, was deiner Meinung nach ein Polizist zu tun hat, weil du nämlich nicht die geringste Ahnung davon hast.«
Mit ihrem Zorn verließ Ivy auch jegliche Kraft, und sie ließ sich auf die nächstbeste Sitzgelegenheit sinken, und das war zufällig das Sofa. »Oh Scheiße«, sagte sie, fuhr sich mit den Fingern in die Haare und strich sie sich aus dem Gesicht. »Scheiße, Scheiße, Scheiße.« Sie sah zu ihm hoch. »Du hast Recht«, gab sie erschöpft zu. »Nicht damit, dass ich dich bestrafen will«, ergänzte sie hastig und verfluchte sich im Stillen, weil sie dabei rot wurde, »sondern damit, dass ich dir vorschreibe, wie du deinen Job machen sollst. Das war nicht richtig. Tut mir Leid.«
Ihre unerwartete Kapitulation überraschte Vincent, und als er dann noch die feinen Linien sah, die die Erschöpfung in ihre Stirn gegraben hatte, verrauchte seine Wut ebenfalls. Er setzte sich neben sie. »Warum regt dich die Vorstellung, dass dein Onkel und deine Tante Bescheid wissen, so auf?«
Wieder der Griff in die Haare. »Ich will nicht, dass sie sich Sorgen machen. Sie haben so viel für mich getan, und ich kann den Gedanken einfach nicht ertragen, sie mit dem Wissen um diesen … diesen Wahnsinn zu belasten, wenn sie doch nichts dagegen tun können.«
»Mein Gott«, sagte er. »Eltern – Pflegeeltern – machen sich nun mal Sorgen. Aber glaubst du nicht, dass du sie da ein bisschen unterschätzt?«
»Nein«, erklärte sie kategorisch. Gleich darauf, schon etwas weniger überzeugt: »Na ja, vielleicht.« Sie ließ die Hände in den Schoß sinken und seufzte. »Oh Gott, ich weiß es nicht.« Sie zog die Beine an und schlang die Arme um die Schienbeine, dann drehte sie den Kopf zu ihm, die Wange aufs Knie gelegt. »Wahrscheinlich hast du Recht. Mack und Babe sind sehr stark. Und vermutlich würden sie sich viel mehr aufregen, wenn sie herausfänden, dass ich versucht habe, es vor ihnen zu verbergen.« Sie verzog den Mund zu einem kleinen ironischen Lächeln. »Und sie würden es herausfinden. Du kannst dir nicht vorstellen, wie wenig Geheimnisse es in meiner Familie gibt.« Sie presste ihr Gesicht gegen ihr Bein. »Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht
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