Unter die Haut: Roman (German Edition)
legte einen Untersetzer auf den Tresen und stellte das schaumgekrönte Glas vor Vincent. Einen Augenblick lang sagte keiner ein Wort, und der einzige Laut, der das Schweigen unterbrach, war das stete Prasseln des Regens gegen die Scheiben der Fensterfront.
Vincent nahm einen Schluck von dem Bier und setzte das Glas dann wieder auf dem Papieruntersetzer vor sich ab. Er drehte den Sitz seines Barhockers ein Stück herum, um seine Zuhörer ansehen zu können.
Die Gesichter des älteren Paares ließen ihre Besorgnis erkennen, und Vincent richtete seine ersten Worte an die beiden.
»Ich werde nicht sagen, dass sie sich keine Sorgen machen sollen, weil ich weiß, dass das nicht möglich ist«, sagte er und sah ihnen dabei abwechselnd in die Augen. »Und ich werde Ihnen auch sonst nichts vormachen. Die Angelegenheit ist ernst, und ich möchte, dass Sie entsprechend damit umgehen. Mir ist klar, dass Sie sich wahrscheinlich sehnlichst wünschen, Ihre Nichte wäre nicht in diese Sache verwickelt, aber das ist sie nun mal, daran lässt sich nichts mehr ändern. Sie sollen jedoch auch wissen, dass es nicht so schlimm ist, wie es sein könnte.«
»Ein Vergewaltiger schickt ihr Blumen und Liebesbriefe«, sagte Mack grimmig. »Wie viel schlimmer könnte es denn noch sein?«
Vincent versuchte nicht, es zu beschönigen. »Er könnte wissen, wo sie wohnt«, erklärte er in sachlichem Ton. »Er könnte ihre Telefonnummer kennen.« Erneut nahm er einen Schluck Bier und hielt das Glas dann zwischen den Händen. Er drehte leicht den Kopf, um Macks Blick zu erwidern.
»So beunruhigend das alles ist, Mr. Merrick, es gibt auch etwas Gutes. Zurzeit weiß der Mann nur zwei Dinge mit Gewissheit: wo Ivy arbeitet und wo Ihre Bar ist. Die Nachricht, die sie gestern erhielt, lässt darauf schließen, dass er irgendwann am Mittwochabend da gewesen sein muss, als Ivy mit ihren Kollegen hier etwas getrunken hat, das ist die einzige vernünftige Erklärung dafür.« Er wandte sich Ivy zu und sah sie zum ersten Mal, seit er in die Bar gekommen war, richtig an. Eine Strähne ihrer glänzenden Haare hatte sich gelöst und zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Sie hatte sich zarter als eine Spinnwebe über ihre Wange gelegt und war an ihrem Mundwinkel hängen geblieben. Obwohl er versuchte, sie zu ignorieren, ertappte er sich dabei, wie er gegen seinen Willen die Hand ausstreckte, um sie zurückzustreichen. »Hast du deiner Tante und deinem Onkel von unserer Vermutung berichtet, wie er davon erfahren haben könnte, dass du hier bist?«, fragte er.
»Ja.«
Er wandte sich wieder den Merricks zu. »Am meisten können Sie Ivy helfen, indem Sie die Augen offen halten.«
»Darauf können Sie sich verlassen«, sagte Mack mit grimmiger Entschlossenheit, und auch Babe nickte zustimmend.
»Hat einer von Ihnen jemanden bemerkt, der sich am Mittwoch auffällig für sie interessiert hat?«
»Nein.« Babe schüttelte bedauernd den Kopf. »Wir haben schon darüber gesprochen, bevor Sie gekommen sind, und wir können uns an niemanden erinnern. Es waren an dem Abend ein paar neue Gäste da, aber abgesehen von einigen von Ivys Freunden kann ich mich beim besten Willen an keines der Gesichter erinnern.«
»Falls es Ihnen hilft«, erklärte Vincent, »der Mann, nach dem wir suchen, hat wahrscheinlich blaue Augen, er ist blond, ungefähr eins siebenundsiebzig groß und von durchschnittlicher Statur.«
Mack kramte in seinem Gedächtnis nach dem Bild eines Mannes, auf den diese Beschreibung passte, zuckte zu guter Letzt jedoch mit den Schultern. »Tut mir Leid.« Seine Miene ließ erkennen, dass er äußerst unzufrieden mit sich war.
»Machen Sie sich deswegen keine Vorwürfe, Mr. Merrick«, sagte Vincent. »Sie hatten keinen Grund, an diesem Abend besonders wachsam zu sein. Jetzt, wo Sie Bescheid wissen, können Sie darauf achten. Ich bin überzeugt, dass Ihnen nichts entgeht, nachdem Sie vorgewarnt sind.«
Aus einem Impuls heraus griff Ivy nach seiner Hand und drückte sie. Dieses Gespräch war weniger schlimm, als sie erwartet hatte, sie war Vincent vor allem dankbar dafür, wie rücksichtsvoll er mit den Gefühlen ihrer Verwandten umging. Als er sich überrascht von ihrer Berührung zu ihr umdrehte und sie ansah, versuchte sie, ihm das ohne Worte mitzuteilen.
Er strich ihr mit dem Daumen über die Hand, doch als ihr Onkel plötzlich ein Schälchen mit Nüssen vor ihn auf den Tresen stellte, fuhr er zusammen und ließ ihre Hand schuldbewusst los.
»Nennen Sie
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