Unter die Haut: Roman (German Edition)
Stimmung.
Na und?
9
Entgegen Vincents übellaunigen Vermutungen amüsierte sich Ivy keineswegs. Sie war allerdings ganz zufrieden damit, dort zu sein, wo sie war. Umgeben von ihren Verwandten, die heute Abend in die Bar gekommen waren, und den Stammgästen, die sie seit Jahren kannte, gelang es ihr hin und wieder, für ein paar Minuten die gefährliche neue Wendung, die ihr Leben genommen hatte, zu vergessen. Hier fühlte sie sich sicher, und noch sicherer fühlte sie sich, wenn sie daran dachte, dass Vincent nur ein paar Meter weiter den Gang entlang im Büro saß.
Sie rechnete damit, dass er sich zu ihnen nach vorne gesellen würde, sobald die Befragung der Stammgäste beendet war. Ein Gast, von dem sie wusste, dass Vincent mit ihm gesprochen hatte, kehrte in die Bar zurück, und so angestrengt sie auch Ausschau hielt, kein anderer erhob sich, um sich als Nächster auf den Weg ins Büro zu machen. Trotzdem tauchte Vincent nicht auf. Sie ließ weitere zwanzig Minuten verstreichen, bevor sie schließlich ihren Stuhl vom Tisch zurückschob und aufstand, um nachzusehen. Er würde doch wohl nicht einfach gehen, ohne sich zu verabschieden, oder?
Während sie mit raschen Schritten den Gang entlangeilte, wurde ihr klar, dass sie keine Ahnung hatte, was Vincent D’Ambruzzi tun würde.
Als sich unvermittelt die Tür zur Damentoilette öffnete und Sherry auf den Gang trat, musste Ivy abrupt bremsen, um nicht mir ihr zusammenzustoßen. In den folgenden Sekunden vollführten sie ein merkwürdiges stummes Ballett. Sie versuchten sich gegenseitig den Weg frei zu machen und verstellten ihn sich dabei nur immer wieder, bevor sich schließlich ihre Blicke trafen und sie in schallendes Gelächter ausbrachen.
»Na, das war doch mal eine nette kleine Slapstick-Einlage«, meinte Sherry schließlich grinsend und trat einen Schritt zurück. »Apropos minderbemittelt, hat Terry dich schon mit seiner neuesten Errungenschaft bekannt gemacht?« Sie schüttelte widerwillig den Kopf. »Ich wünschte wirklich, mein Bruder würde sich einmal im Leben mit einer normalen Frau verabreden.«
»Was meinst du damit?«, fragte Ivy.
»Eine, die nicht ›Uuuuh-wow, danke fürs Nachfüllen‹ quietscht, wenn er ihr ins Ohr pustet«, erwiderte Sherry wie aus der Pistole geschossen.
Ivy musste lachen. »Sherry McDonald, schäm dich.« Dann fiel ihr ein, dass sie sie wahrscheinlich nicht noch weiter anstacheln sollte, und sie fügte schwach hinzu: »Das war aber nicht nett.« Sie versuchte, ihrer Stimme einen tadelnden Klang zu verleihen, wusste jedoch, dass das vergebliche Liebesmüh war.
Sherry wusste es ebenfalls. Sie zuckte mit den Schultern. »Habe ich etwa nicht Recht?« Sie hob eine Augenbraue. »Lassen wir mal außer Acht, dass sie genauso hohlköpfig ist wie die anderen Dummchen, die er für gewöhnlich anschleppt – daran habe ich mich inzwischen ja schon fast gewöhnt. Aber dieses Mal steht er außerdem noch mit einem Fuß im Gefängnis. Wenn die schon volljährig ist, fress ich einen Besen.«
»Na, dann guten Appetit«, sagte Ivy, »ich weiß nämlich zufällig, dass sie über einundzwanzig ist.« Sie sah ihre Cousine mit einem hinterhältigen Blick an. »Ich saß direkt daneben, als Sandy sich ihren Ausweis zeigen ließ.«
»Wer hätte das gedacht!« Sherry lachte und schüttelte den Kopf. »Ich kapier’s einfach nicht, Ive, ehrlich. Er ist doch ein intelligenter Mann, sollte man da nicht annehmen, dass er sich eine Frau sucht, mit der er nach dem Sex wenigstens noch eine Unterhaltung führen kann?« Mit einem Achselzucken gab sie zu verstehen, dass sie ihren Bruder für einen hoffnungslosen Fall hielt, was seinen Frauengeschmack betraf, und ihre Miene wurde wieder ernst, als sie einen ihrer kräftigen Arme um Ivys Taille schlang und sie an sich drückte. »Aber jetzt mal zu dir. Wie kommst du klar? Tante Babe hat Mom von der Sache erzählt, und die hat es mir gesagt.«
Ivy gab zu, dass ihr die Karten, die sie erhalten hatte, Angst machten. »Aber jetzt stecke ich nun mal in der Sache drin. Vincent« – sie deutete mit dem Kinn in Richtung Büro – »hat seinen Freitagabend geopfert, um ein paar von den Stammgästen, die am Mittwoch hier waren, zu befragen. Er hofft auf eine Beschreibung des Kerls, der sie mir geschickt hat.«
»Ach ja?« Sherry warf interessiert einen Blick auf die geschlossene Tür. »Ist er noch da?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Ivy. »Ich wollte gerade nachsehen.«
»Oh, gut.« Sherrys Arm um Ivys
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