Unter die Haut: Roman (German Edition)
überschlagen haben, dem anderen eine Ausrede zu liefern, damit sie bloß nicht zusammen nach Hause fahren müssen.«
Terry grunzte nur, und Sherry musterte ihn mit plötzlich erwachtem Argwohn. »Du weißt nicht zufällig, was da los ist, oder?«, fragte sie. »Falls doch, Terry, dann rück besser damit heraus. Schließlich ist es deine Schuld, dass sie mir nichts mehr erzählt.«
»Wie kommst du denn auf die Idee?«
»Du hast mich dazu gebracht, ihr Vertrauen zu enttäuschen.«
Angesichts dieser Logik musste er grinsen, aber im Gegensatz zu seiner Schwester wusste er, wann er den Mund zu halten hatte … egal, wer Druck auf ihn ausübte. »Mir hat sie auch nichts erzählt, Sher, aber selbst wenn, würde ich es dir nicht auf die Nase binden. Entweder kommen die beiden miteinander klar oder nicht.« Neben ihm brach seine neue Freundin über eine Bemerkung ihres Tischnachbarn in kreischendes Gelächter aus, und er drehte sich so, dass er sich und Sherry mit seiner Schulter etwas abschirmte. Er beugte sich zu seiner Zwillingsschwester. Jemand stimmte »Sea of Love« an, und die anderen Gäste fielen nach und nach mit ein, so dass er seine Stimme heben musste. »Wo wir gerade von merkwürdigem Benehmen reden«, sagte er betont lässig, »was fehlt Jaz denn zurzeit?«
Männer, hätte Jaz erwidern können, wenn er diese Frage an sie statt an Sherry gerichtet hätte. War es nicht immer so? Oder um genau zu sein, das Fehlen des einen, besonderen Mannes in ihrem Leben.
Anders als Ivy hatte sie nie den brennenden Ehrgeiz besessen, Karriere zu machen, und hin und wieder hatte sie das bedauert … aber nie sehr lange. Wie Terry gesagt hatte, hatte Ivy den Tod ihrer Eltern miterleben müssen, um diesen Ehrgeiz zu entwickeln, und Jaz erinnerte sich zu gut an die Alpträume, von denen ihre Cousine jahrelang gequält worden war, als dass sie ihr ihren hart erarbeiteten Erfolg geneidet hätte. Nein, meistens war sie mit ihrer Stelle in der Bank völlig zufrieden. Außerdem musste der Wunsch, einen solchen Beruf zu ergreifen, so stark sein, dass es schon an Besessenheit grenzte, damit man bereit war, so viele Jahre zu opfern, um zu erreichen, was Ivy inzwischen erreicht hatte. Jaz wusste, dass diese Art von Zielgerichtetheit nicht gerade zu ihren hervorstechendsten Eigenschaften gehörte.
Sie beneidete Ivy darum, aber der Mensch, den sie noch viel mehr beneidete, war Sherry.
Sie hatte das, was Jaz sich am meisten im Leben wünschte. Einen netten, normalen Mann, der sie einfach um ihrer selbst willen liebte.
Es machte sie verrückt, dass Sherry offensichtbar gar nicht wusste, wie viel Glück sie mit Ben hatte. Nicht dass ihre Cousine ihren Mann nicht geliebt hätte – das tat sie. Aber gleichzeitig hegte sie diese lächerliche Vorstellung, dass Jaz’ Leben so viel interessanter war als ihres. Sherry hatte regelrecht einen blinden Fleck, wenn es um Jaz’ Aussehen ging und darum, dass sie nicht den gleichen Dauerkampf gegen ihre Pfunde führen musste wie sie selbst.
Jaz selbst war über ihr umwerfendes Aussehen nicht nur froh. Ein Teil von ihr war ernsthaft davon überzeugt, dass es ihr nichts weiter gebracht hatte, als alle anständigen, normalen Männer in die Flucht zu schlagen. Die netten Männer schien sie einzuschüchtern, während sie gleichzeitig mehr als genug oberflächliche Schönlinge anzog. Von Männern, denen es weniger um sie ging als darum, sich mit einer dekorativen Trophäe zu schmücken, bekam sie mehr Aufmerksamkeit, als sie sich wünschte.
Andererseits tat sie alles in ihrer Macht Stehende, um den Verlust ihrer Schönheit aufzuhalten. Sie ging ins Fitnessstudio, hielt Diät, pflegte ihre Haut; und trotzdem wurde sie von einer leisen Verzweiflung ergriffen, je näher ihr dreißigster Geburtstag rückte. Nicht nur dass ihre biologische Uhr immer lauter tickte, ihr Aussehen würde ihr nicht ewig erhalten bleiben, und tief in ihrem Innern hegte sie die Befürchtung, wenn sie nicht schnell jemanden fand, bevor ihre Schönheit dahin war, würde sie es nie schaffen.
Ihre Laune befand sich in letzter Zeit auf Achterbahnfahrt, aber im Großen und Ganzen neigte sie dazu, optimistisch zu sein, und im Augenblick war sie eindeutig in Hochstimmung. Gestern war nämlich ein Mann zur ihr in die Bank gekommen, um sich über Anlagemöglichkeiten zu informieren, und zu ihrer Freude war er noch eine Weile geblieben, als der geschäftliche Teil erledigt war, und hatte sich mit ihr unterhalten. Er sah gut aus, war
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