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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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Lion Street, winkte seinem Kameraden Thon, der sich wieder darin versuchte, gebrauchte Zahnbürsten zu verkaufen, ertrug das keifende Gelächter zweier Prostituierter, wie er sich mit jedwedem Spott seine Person betreffend abfand, und näherte sich schlussendlich seinem Ziel – dem Heim von Margaret Graft.
    Es war ein enges, schiefes Gebäude mit Ziegelsteinen, die schwarz und verrucht anmuteten. Hinter dem rissigen Holz der verzogenen Tür bot die schwere Frau allen Straßenkindern ein vorbestimmtes Obdach.
    Firm klopfte bedächtig, hörte er doch Stimmen hinter der Pforte. Sodann wartete er geduldig und gedachte kurz der Behauptung Brutes, Ash könne der Kindermörder von London sein, den die bessere Gesellschaft und die schlechteren Gazetten nur den »letzten Heimgang« getauft hatten. Denn all die seltsamen Tode geschahen stets in derselben Gasse, einem engen, etwas abschüssigen Gang, der zwischen zwei hohen Wohnkomplexen nahe der Crown Street klaffte. Jedoch waren die Morde im Grunde nicht einmal blutig oder gar eindrucksvoll genug, um für größeres und anhaltenderes Aufsehen zu sorgen als ein abergläubischer Sprecher am Speaker’s Corner. Es waren Tode – schlichte Lebensenden, denen nicht genug Bedeutung beizumessen gewesen wäre, um ihnen Gewalt zu unterstellen. Besorgt um Ashs Schicksal, pochte Firm erneut, und jemand riss schon beim zweiten Schlage die Tür auf.
    »Wer, zur Hölle ... ?«, grollte es dem kleinen Manne entgegen. »Firminus Becket, da sieh einer an.« Aus dem gähnenden Verschlag trat eine Wolke aus Wärme, Fett und Schweiß hervor, ungefüge die Begleitung Margaret Graft und ein Mann in hochgeschlossenem Einreiher mit gedrilltem Barte und vergrämtem Blick.
    »Nun, Mrs Graft, so sind wir uns doch wohl wieder einmal einig geworden, wie?«
    »Gewisslich«, sagte sie mit der Klebrigkeit eines dicken Puders.
    Der Mann ließ mit seinem Blick vom kleinen Firm ab, lächelte bitter, während er Maggie Graft einen säuberlich getürmten Stoß kleiner Münzen in den Handteller stellte. Mit leisem Klirren fiel dieser um und verschwand in der sich schließenden Hand, die sich, wie zu einem Kuss feilgeboten, drehte und vorgestreckt blieb. Er aber griente nur schmal, setzte seinen hohen Hut auf und verließ dann das Haus mit einem kleinen, zerzausten Mädchen im Schlepptau – sie zählte allenfalls sieben Jahre, doch verrieten ihre Augen, dass sie nur drei davon geworden war.
    Firm winkte verwundert. Das Kind sah zu ihm zurück.
    »Firminus Becket. Hast die Münzen wohl gerochen, wie?«
    »W-W-Wohin g-gehen d-d-die b-beiden?«
    »Komm rein, Junge, doch denk mal nicht, dass ich dir soviel zahl wie beim letzten Mal. Da gab es die Kohle überall billiger«, knurrte Maggi und wandte sich in den dunklen Wohnraum ihrer schmalen Bleibe. Firm folgte ihr zögerlich. Im Inneren des Hauses war die Luft schwer und klebrig. In den schmutzigen Wänden hausten Kinder jeden Alters, sie saßen auf dem Boden und spielten gottverloren mit Bällen, Murmeln und Puppen, krabbelten wie angeschossene Hunde umher, ohne zu wissen, wohin sie zu gehen hatten, lagen in dünnen Betten und schauten aus leeren Augen ringsum, begrüßten nicht länger, aus Furcht ein letztes Mal Abschied nehmen zu müssen. An keinem anderen Ort auf Erden hatte Firm je die wüste Vergänglichkeit lebendiger erfahren. Und am heutigen Tage traf es ihn doppelt.
    Er setzte die Kiepe ab, während Margaret Graft abging. Firm stand da und schien unter all den Blicken recht hilflos. Sein eigener war suchend, seine halb offenen Arme blieben dennoch leer und fast gesenkt.
    »Nun, was ist denn heut der Preis?«, fragte Maggie, die wankend wie eine alte Fregatte auf rauer See aus einer Kammer hervortrat und mit dem Fuß einen kleinen Jungen beiseite schieben musste, um nicht zu fallen.
    Warum bin ich hier , fragte sich Firm und hatte den restlichen Text vergessen. Es war ihm peinlich. Er schaute sich zur Tür um und dachte nicht an Flucht, nur an den stumpfen Schmutz an seinen Fingern. Und er fragte sich, ob die Lage einen zweiten Blick verlohnte – einen aus der Höhe eines aufrechten Menschen. Doch Firm verstieg sich nicht in einer Mutmaßung, ob er diese Größe je erreichen würde.
    »Na, was ist, Firminus Becket? Machs Maul auf, oder soll ich dir eine langen?«, rief Maggie und geriet ihn heftige Wallung.
    Firm hob die halb offenen Arme noch etwas höher, ob zu einer nicht erwiderten Begrüßung oder zu einem Schulterzucken wusste er nicht einmal zu

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