Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
Vom Netzwerk:
mit großen Augen an und versuchte, sich zu raffen. »Sollen wir i-in d-d-den P-pa-park gehen?«
    »Bunte Schirme und glänzende Zylinder, Firm, die brauchen keine Wunder. Und sie sind auch keine«, sagte Brag aus einer tiefen, erwachsenen Überzeugung heraus, welche seinem Alter unangemessen war. Er schaute schnaufend umher, als sei die Luft zu dünn, um zu atmen. Sodann sprang er an Firminus Becket vorbei und rannte hinfort.
    * * *
    Sein Zaudern war zugleich offene Empörung, und bevor Firm recht zu ergründen vermochte, womit sich der kleine Brag wahrlich trug, da war er schon in Richtung St. Giles entschwunden. Firm verstand nicht, was Brag offenbar zu tun gedachte. Seine Furcht stotterte noch im Geiste, als er sich selbst bereits auf dem Weg wähnte. Schneller und schneller ward jeder Tritt und mit jedwedem weiteren auch forscher, denn ihn dünkte, auch Brag mochte sich in Gefahr bringen.
    Geschwind drängelte sich Firm durch die strömende Menschenmenge, schlug gegen Mann und Karren, ward gescholten und verflucht auf seinem Weg in die Crown Street und wollte doch nur angsterfüllt Ausschau halten, ob irgendwo der schmutzige Wams des kleinen Brag zu sehen war. Seine Beine waren wohl nicht schnell genug, allein Brag war auch flink wie eine Maus. Er war nicht auszumachen, und dennoch war sich Firm sicher, der Junge hatte den Weg zur Gasse eingeschlagen, um etwas wieder gutzumachen, das er sich anlastete.
    Bald kamen die hohen Giebel der beiden Häuser in Sichtweite, und hatte Firm bis jetzt seine Eile beibehalten, begann er schon beim bloßen Anblick der Häuserzeile seinen Lauf zu hemmen, bis er schließlich nur noch schleppend näher kam. Zwischen den großen, schmutzigen Gemäuern klaffte eine schmale Kluft – ein enger Gang, der ins dunkle Nichts zu führen schien. Er war mit einem Haufen Unrat und einem verrottenden Fass ausgefüllt, sodass er kaum als Passage zu erkennen war. Und doch war diese Gasse, wie viele andere ihrer Art auch, eine bekannte Abkürzung zwischen unterschiedlichen Straßenzügen, und günstig, wenn man dem Andrang der Gegenden zu entrinnen gedachte.
    Nur dass in diesem Gang seit Jahren Morde geschahen. Man wusste, aber kümmerte sich leidlich darum. Man mied sie, widerriet, wenn irgendwer sie in Betracht zog und schwieg ansonsten. Dennoch gingen immer wieder die Gerüchte um, es habe daselbst mal wieder ein Kind erwischt. Die Jungen waren es nun einmal, die alle Warnungen in den Wind schlugen oder es gar als Mutprobe erachteten, die Gasse zu bewältigen.
    Und an Mut fehlte es Firm, als er nun vor dem finsteren Schlund stand, und sich fragte, ob Brag tatsächlich hierher gerannt war. Womöglich hatte es ihn doch wieder nach Hause verschlagen. Möglicherweise ereilte ihn gerade eine Bestrafung durch die knurrende Maggie, was sicherlich ein weitaus besseres Los war, als in dieser Gasse elendig zu verrecken. Aber vielleicht klammerte sich auch Brags kleine Hand gerade um den selben Mauerwinkel, wie schon zuvor Swithans Hand auf der Suche nach Halt und Hilfe.
    Da fasste sich Firminus Becket ein Herz und drückte sich an dem knirschenden Fass vorbei, um über den Unrat hinwegzusteigen und den Gang zu betreten. Und wie es dunkel um ihn ward, wie sich die Wände zu seinen Seiten zu verengen und über ihn zusammenzuziehen schienen, dünkte es ihn zwar wunderlich, doch kam es ihm derart bekannt vor, als sei er nicht zum ersten Male an diesem Ort. Die Enge, der Gestank nach Moder und Harn, sowie der unheimliche Sog, die Magie der Fährde, die wie ein bedrängender Reiz vereinnahmte, sie zogen und hielten an, tunlichst zu beschleunigen.
    Firm hastete mit seinem wackelnden Schritt durch den schmalen Pass, dicht an dicht mit Stein, Staub und Stille, denn jedwedes Geräusch der Stadt schien dahier zu versiegen. Er war allein in dieser Schneise mit sich und seiner Aufregung, die ihn vorantrieb, diesen Auftrag des Lebens schleunigst hinter sich zu bringen. Es ging längst nicht darum, einen Lohn einzustreichen, um mit ihm den nächsten Tag unterhalten oder das Bruchstück eines halb blinden Spiegels erstehen zu können. Nein, Firm spürte in sich eine sehr schweigsame Bedingung heranwachsen. Wenn er es nun zu Ende brächte, mochte zwar sein Rückgrat noch immer krumm, sein Antlitz noch immer verzerrt und gelähmt und ein Fuß noch immer schwerer als der andere sein, und doch würde er wissen, dass er nicht auf den Rücken eines anderen Menschen klettern musste, um sein Leben aus einer höheren Sicht

Weitere Kostenlose Bücher