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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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durch. Die Soldaten schossen. Der Leutnant wies sie zurecht – Keine Munition verballern, wir brauchen jede verdammte Kugel! Der Teufel scheint heute Nacht auszureiten! Nehmt ihn euch vor!
    Wie Peitschenhiebe fuhren die Worte über die Rücken der Gefreiten. Sie hatten bislang keinen Wolf gesichtet und wurden langsam ungeduldig. Die Räuberbanden schienen eine andere Richtung eingeschlagen zu haben; jedenfalls war keine Spur mehr von ihnen zu finden. Die Gewehre wurden in Anschlag gebracht, die Zweige und Büsche mit Messern aus dem Weg geschlagen. Der Duft von Moos und Tau zog sich über den Wald, der in Dämmerung gesenkt wurde. Der Leutnant ließ eine Vorhut nach einem sicheren Platz für die Nacht suchen. Sie waren noch eine Weile unterwegs. Sein rechter Finger, der in einem Gefecht verletzt wurde, juckte.
    Bald dürften sie Arbeit bekommen; aus dem dunklen Dickicht schoss die Gefahr hervor. Drei Wölfe mit gefletschten Zähnen, feurigen Augen und einem Knurren. Die Soldaten wurden augenblicklich aus ihrem Dämmern gerissen und nahmen die Gewehre hoch. Der Leutnant zog den Säbel und befahl, anzulegen und zu schießen. Die Wölfe brachen zusammen. Einer regte sich nochmals kurz, doch eine zweite Salve streckte auch ihn nieder. Das konnte aber noch nicht alles gewesen sein. Der Leutnant horchte in die Wildnis hinaus. Keine weiteren Geräusche.
    Die Vorhut kehrte zurück; sie hatte einen geschützten Platz gefunden. Der Leutnant befahl, das Nachtlager aufzuschlagen, und stellte eine Wache für die ersten drei Stunden ab.
    * * *
    »Wo ist denn die junge Frau?«
    Doktor Schwanitz hatte den Weg zu Grassow gefunden. Zweimal musste er seinen Besuch absagen, da sich in der Stadt wieder einige Handwerker und Bauern die Köpfe eingeschlagen hatten. Schließlich wollte er Grassow nicht mehr vertrösten. Marie beschäftigte ihn bereits auf der Fahrt. Sie schien ein tiefes Erlebnis gehabt zu haben, das ihr die Zunge abschnitt. Schwanitz kannte das von anderen Mädchen in seiner Behandlung. Der Heiler durfte ihnen nicht zu nahe kommen, denn sie saugten die letzte Lebenskraft aus ihm. Allein der leiseste Körperkontakt reichte aus, den Ärzten jegliche Kraft zu entziehen.
    Als Doktor Schwanitz Marie erblickte, erkannte er die Somnambule in ihr. Er gab ihr seine Hand, schüttelte die ihre und merkte ein leichtes Elektrisieren. Aber er ließ sich nichts anmerken und bat um eine Schüssel kalten Wassers. Marie bat er, in ihr Zimmer zu gehen und sich aufs Bett zu legen. Sie solle vor der magnetischen Behandlung ein wenig ruhen. Grassow beobachtete die Vorbereitungen. Schwanitz hatte die Metallplatten mitgebracht, die ihn vor ein paar Tagen so erschreckt hatten.
    Marie war in der Zwischenzeit eingedöst. Schwanitz näherte sich ihr vorsichtig und legte seine Hand auf ihren Arm. Gänsehaut zog sich darüber. Grassow erbleichte und wollte schon dazwischengehen, besann sich aber eines Besseren. Es war ja nur ein Arzt, der nach Marie schauen wollte. Marie hob langsam ihre Lider und streckte sich, als ob sie eine ganze Nacht schlafend verbracht hätte.
    »Du lebst noch. Sehr schön. Hab keine Angst. Ich muss jetzt einige Berührungen durchführen. Es wird nicht schmerzen. Dennoch kann es sein, dass sich in deinem Körper ein Widerstand bildet. Das gehört zur Behandlung. So leid es mir tut.«
    Schwanitz strich zunächst über die Arme, dann legte er seine Hand auf Maries Schenkel, strich ein wenig daran. Marie wurde rot im Gesicht, hielt es aber aus. Zum Abschluss klopfte der Wunderdoktor auf die Waden. »Alles in Ordnung soweit.«
    Grassow hatte ungeduldig zugeschaut und fragte den Heiler, was er herausgefunden habe. Der legte den Zeigefinger auf den Mund. »Das müssen wir nachher besprechen.«
    Marie lief hinunter in die Küche. Schwanitz meinte, das sei ungewöhnlich, weil der Patient nach einer magnetischen Kur für gewöhnlich zu erschöpft sei. Er nahm Grassow beiseite und schaute ihn ungefähr eine Minute lang bedächtig an, bis der Vormund betreten zur Seite schaute. Dann zog ihn Schwanitz zu sich heran und senkte seine Stimme zu einem bedrohlichen Bass: »Marie wurde missbraucht. Die Zuckungen im Schenkel können mich nicht täuschen. Es tut mir leid.«
    Der Lehrer war sprachlos, rang nach Worten, und eine Träne löste sich. Er ballte die Hände zu Fäusten, denn er hatte nichts davon wissen wollen. Nur ein dunkles Gefühl beunruhigte ihn seit der Aufnahme der jungen Frau. Nun besaß er Gewissheit. Obwohl – wer sagte denn,

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