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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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nun. Was machst du denn für Sachen? Jetzt schau mich nicht an wie den Heiland persönlich. Ich habe gute Neuigkeiten für dich. In der Stadt gibt es einen Herrn, der dir helfen kann. Hörst du, Marie? Er möchte dir helfen.«
    Sie zeigte keine weitere Reaktion. Er gab es auf. In ein paar Tagen – es hatte noch Zeit – in ein paar Tagen würde der Doktor aus der Stadt kommen und ihren Zustand kritisch beurteilen. Bis dahin musste er sie vor jeder großen Anstrengung bewahren. Vielleicht sollte sie erst einmal im Bett bleiben, und er würde den Haushalt selbst führen. Das müsste gehen, Zeit genug hatte er. Es hatte ja mit der Handelsschule nicht geklappt, sodass er sich nicht vorbereiten musste. Ärgerlich war das trotzdem. Verdammt noch mal, was fiel diesem Direktor nur ein! Aber vielleicht trug auch Grassow selbst Schuld? Diese Art von Schule lag ihm nicht. Dieser Zwang schlug nach den zwei Jahren auf ihn zurück. Er wurde in die Knie gezwungen; da lag diese junge Frau nun, am Ende ihrer Kraft. In ihr schlummerte ein seltsames Geheimnis, kein einfaches. Seltsam, da es hinter ihren Augen lag, in denen – so schätzte er es ein – ein letztes Feuer schlug. Ihre Zähne fielen aus. Mittlerweile wuchs die Zahl der Lücken in ihrem Gebiss. Die Gründe mussten in ihrem Vorleben liegen. Ein tiefer Schnitt in ihr Fleisch – diesen musste der Wunderheiler behandeln. Grassow wollte helfen, aber allein schaffte er das nicht. Schließlich konnte er sie nicht zwingen.
    * * *
    Die Auseinandersetzungen zwischen Mar- und Limburg nahmen zu. Blanckenburg kam nicht mehr zur Ruhe. Er musste Verhaftungen anweisen, die Unterbringung der Arretierten regeln, für die öffentliche Ordnung sorgen. Seinen Bauchansatz hievte er stets über den erheblich zu engen Amtsgürtel. Mittlerweile hatte er einen Umfang erreicht, der ihm zu schaffen machte. Es war unangenehm, wenn er in der Stadt und im Umland Orte aufsuchen, dabei seinen Bauchansatz mitschleppen musste. Das gute Leben hatte schließlich doch seine Schattenseiten. Ihm wurden zu allem Überdruss streunende Wolfsrudel in den Wäldern gemeldet. Er wollte einige königliche Jäger, Bauern und wagemutige junge Burschen sammeln, damit sie gemeinsam Jagd auf diese Bestien machen konnten. Man sollte die Wälder alle abholzen, jeden Wolf einzeln aufspüren und im nächsten Tümpel ertränken. Das letzte Lebenslicht mit Karabinern auslöschen.
    Zuvor musste sich der Kanzler noch abreagieren. Er spürte es unten in der Unterwäsche zucken; die Schlange meldete sich und reckte sich in die Höhe. Da gab es doch die Rosalinde in der Stadt, ganz geheim im Hinterhof. Da musste er sich die Kraft für die anstehende Jagd holen. Das nötige Geld hatte er; die Zeit war eine andere Frage. Die Wölfe heulten vor der Stadt, und Blanckenburg konnte sich nicht mehr halten. Es musste dringend etwas geschehen. So konnte es nicht weitergehen. Dieses Heulen, Schmatzen und Verzehren.
    »Herr Kanzler, die Söldner sind eingetroffen. Könnten Sie in den Hof kommen, um sie den Offizieren zuzuteilen?«
    »Gewiss. Komme sofort.«
    Das ging schneller, als er gehofft hatte.
    * * *
    Durch das dichte Blätterdach fiel nur wenig Mondlicht. Sie schritten durch den Wald in enger Formation, sicherten sich links und rechts ab. Die Vorderhut trug eine Petroleumlampe, und auch am Ende des Zugs brannte ein Licht. Sie hatten zwei Ziele: streunende Wölfe und marodierende Bauern. Bislang hatten sie einige Zusammenstöße aushalten müssen. Sie waren gut ausgerüstet und kriegserfahren. Es stand ihnen zusätzliches Gold zu, wenn sie in kurzer Zeit das Übel vom Erdboden vertilgten. Sie verfluchten insgeheim diesen Wald, denn sie konnten kaum etwas erkennen. Jede Taktik wurde in dieser dichten Brühe aus Nebel und Finsternis unmöglich. Der Leutnant an der Spitze des Zugs hielt immer wieder an und versuchte, im flimmernden Schein der Laterne den rechten Weg auf der Karte zu erkennen. Er gestand sich jedoch ein, dass sie sich längst verlaufen hatten. Seit einiger Zeit drangen Geräusche durch. Seltsame Atemzüge, als ob ein Hauch aus dem Maul einer Wildsau über eine Eule hinwegflöge. Der Leutnant wies seine Soldaten an, besonders achtsam zu sein. Ihm war die Umgebung nicht geheuer. Er horchte auf jedes kleine Geräusch. Über den Boden wurde ein Körper geschleift – so hörte es sich an. In der Luft schwirrte eine Horde von Libellen und großen Insekten. Nachtwandler durchquerten den Wald. Im Unterholz brachen Wildschweine

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