Unter feindlicher Flagge
Lord Westmoor auf einem französischen Strand zurückgelassen hat.«
Die beiden Freunde gingen an Deck. Nachdem sie abwechselnd durch das Fernglas geschaut hatten, kamen sie überein, dass es sich bei dem Schiff wirklich um die Themis handelte, die unter vollen Segeln nach Norden fuhr. Hertle gab den Befehl, beizudrehen, und die Freunde begaben sich wieder in die Kabine. So leise wie möglich erzählte Hayden von all den Vorkommnissen auf der Themis, seit er an Bord gekommen war. Hertle hörte ihm aufmerksam zu. Seine Miene verdüsterte sich zusehends.
»Du hast wahrlich Glück gehabt, Charles«, sagte Hertle, als Hayden geendet hatte. »Erst Bourne, dann ich. Noch einmal wirst du nicht auf einen Freund hoffen dürfen, der dir zur Hilfe eilt.«
»Das weiß ich selbst zu genau.« Hayden blickte hinaus auf die in der Sonne glitzernde See. Möwen und Tölpel flogen über dem Kielwasser. »Ich wünschte, Hart wäre weiter nach Süden gesegelt. Dann könntest du uns nach Hause bringen.«
»Das würde ich auch tun, Charles, aber es steht nun mal nicht in meiner Macht.« Hertle saß an dem kleinen Tisch und sah seinen Freund gedankenversunken an.
»Könntest du einen Brief für mich mit nach Hause nehmen?«, fragte Hayden dann.
»Ich besorge dir Tinte und Papier.«
Kurz darauf brachte ein Bediensteter das Tintenfässchen und einige saubere Blatt Papier. Hayden machte sich ans Werk, und bevor die Themis längsseits lag, hatte der Leutnant einen weiteren Brief an »Mr Banks« abgefasst. Detailliert beschrieb er, was sich alles ereignet hatte, und wählte die Worte so, dass der Erste Sekretär zweifelsohne erkennen würde, dass man sie absichtlich am Strand zurückgelassen hatte. Als Hayden seinem Freund den Brief übergab, stellte Robert Hertle freundlicherweise keine Fragen.
Schließlich begab sich Hayden zu seinen Gefährten an Deck und sah zu, wie Hertles erfahrene Mannschaft ein Beiboot schnell und sicher abfierte. Im Stillen wünschte sich Hayden eine ebenso zuverlässige Mannschaft.
Wenig später waren die drei Gefährten wieder an Bord der Themis. Hayden drehte sich noch einmal um und hob die Hand zum Abschied. Robert winkte ebenfalls und wandte sich dann wieder seinen Aufgaben zu.
Die Mannschaft der Themis war größtenteils an Deck versammelt, aber weder Freudenrufe noch Worte des Willkommens waren zu hören. Es herrschte eine unnatürliche und unangenehme Stille. Alle wussten, was sich ereignet hatte, dafür brauchte Hayden keine Beweise.
Er führte Hawthorne und Wickham zum Quarterdeck, wo Hart sich etwas abseits seiner Offiziere aufgebaut hatte. Nur Barthe und der Schiffsarzt hatten ein Lächeln für die Rückkehrer übrig. Die anderen Offiziere und Deckoffiziere mieden Haydens Blick.
Hart täuschte keine Freude vor, seinen Ersten Leutnant wieder an Bord zu haben. »Wie stellen Sie sich das vor, Sir!«, begann er in höchst streitlustigem Ton auf Hayden einzureden. »Sie nehmen einfach Mr Wickham bei einem gefährlichen Unternehmen mit, ohne zuvor meine Erlaubnis einzuholen?«
Wickham trat entschlossen vor. »Wenn Sie erlauben, Kapitän Hart, Mr Hayden wusste nicht, dass ich mit an Land gekommen war. Ich versteckte mich im Boot, und niemand hat mich bemerkt.«
Hart war einen Moment lang erschrocken. »Mr Wickham, Sie vergeuden Ihre Loyalität. Sie können hier nicht Fürsprache halten. Allein Mr Hayden hat die volle Verantwortung für Ihre Anwesenheit ...«
»Ich übernehme die volle Verantwortung«, unterbrach Hayden ihn.
Hart wirkte überrascht, aber ein kleines triumphierendes Glimmen lag in seinem Blick. Die Mundwinkel zuckten kaum merklich. »Dann geben Sie also zu, dass Sie von seiner Anwesenheit wussten ...«
»Es war mir nicht bewusst, aber es bleibt allein meine Verantwortung. Wenn Lord Westmoor jemanden dafür verantwortlich machen will, dann mich. Mr Barthe wird es ins Logbuch eintragen, und ich werde es unterzeichnen.«
Hart sah einen kurzen Augenblick verwirrt aus, als habe Hayden ihm einen Streich gespielt. Der Erste Leutnant verbarg sein Lächeln. Gewiss würde Wickham seinem Vater erzählen, was sich wirklich zugetragen hatte - von Seiten Lord Westmoors brauchte Hayden mit keiner Ermahnung zu rechnen.
»Sie können auch im Logbuch vermerken«, fuhr Hayden fort, »dass wir am vereinbarten Treffpunkt waren, aber nirgends ein Boot sahen.«
»Was? Der Teufel soll Sie holen, Sir!«, polterte Hart los. »Was wollen Sie damit sagen? So eine Unverfrorenheit! Beschuldigen Sie mich etwa
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