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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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Kein Matrose vergisst je das furchtbare Kreischen der Kugeln in der Luft. Doch Hayden versuchte, es zu ignorieren. Entweder stand auf einer Kugel sein Name oder eben nicht. Sich jetzt ängstlich zu ducken würde daran auch nichts ändern.
    Er fragte sich, was Bourne nun tun mochte. Der französische Kommandant holte sein Ankertau langsam ein und hielt die Breitseite weiterhin auf das herannahende britische Schiff gerichtet. Man konnte diesen Kommandanten nur bewundern, denn er vergeudete seine Munition nicht auf ein fernes Ziel.
    Philpott trat neben Hayden. »Wie es aussieht, wird die Tenacious gut fünf Minuten vor uns bei dem Franzosen sein.«
    »Ich fürchte, Sie haben recht. Ich schätze, Bourne wird eine Breitseite austauschen, am Heck anluven, erneut feuern, wenn es die Zeit zulässt, dann hart backbord gehen und sein Schiff auf den Gegner zu gleiten lassen, um zu entern.« Er suchte Wickham, der einige Schritte entfernt stand. »Wo ist die Themis, Wickham?«
    »Auf Nord-Ost, Sir. Etwa eine halbe Seemeile entfernt. Sie ist immer noch unter Beschuss.«
    »Ich schätze, wenn wir den Franzosen erreichen«, sagte Hayden, »wird die Tenacious bereits längsseits liegen. Dann könnten die Franzosen ihrerseits entern, sehr zu Bournes Überraschung. Ich glaube nicht, dass sie ihre Backbordgeschütze nachladen werden, und das bedeutet, dass wir ohne Angst vor den Kanonen an ihnen vorbei können.«
    »Sollen wir eine Breitseite feuern, wenn wir vorbeisegeln?«, fragte Philpott.
    »Nein, unsere kleinen Sechspfünder haben andere Aufgaben. Lasst uns hinter ihrem Heck anluven und feuern. Ein Geschütz nach dem anderen, über die ganze Länge ihres Kanonendecks. Wenn sich dort wirklich französische Soldaten unter Deck aufhalten, werden wir großen Schaden anrichten. Dann werfen wir unsere Enterhaken und entern den Franzosen über die Heckreling. Alles leichter gesagt als getan. Ich überlasse es Ihnen, die Lucy hinter das Heck des Franzosen zu bringen, da ich nicht weiß, wie genau sie Kurs hält.«
    »Das können Sie getrost mir überlassen, Mr Hayden.« Sofort eilte der Leutnant zum Steuerrad, löste dort den Mann ab und änderte leicht den Kurs.
    Der Widerhall einer gewaltigen Explosion hallte über das Wasser. Die französische Fregatte war in eine dunkle, wabernde Wolke gehüllt. Die Tenacious schien zu schwanken und aus dem Rhythmus mit den Wellen zu kommen, doch sie hielt stand und drängte weiter. Rigg und Segel waren größtenteils zerfetzt, Spiere hingen beschädigt in der Luft und schwangen vor und zurück. Hayden sah, wie sich die Männer aufrappelten und zerrissene Segel und herabgefallenes Tauwerk über Bord warfen, damit die Kanonen wieder bedient werden konnten. Sacht ließen zwei Männer den schlaffen und blutigen Körper eines Schiffsjungen über die Reling gleiten. Hayden schloss die Augen, doch das Bild wollte sich nicht vertreiben lassen.
    Als Hayden wieder durch sein Fernglas sah, tauchte Bourne inmitten des Durcheinanders auf. Er gestikulierte wild, rief Befehle. Seinen Hut hatte er offenbar verloren, seine linke Gesichtshälfte war blutverschmiert. Rauchschwaden glitten über die Tenacious hinweg, doch Bourne gab noch nicht den Befehl zum Feuern. Hayden sah ihn auf der Gangway stehen. Das Entermesser hatte er erhoben, die Stückmeister beugten sich über ihre Geschütze. In dem Augenblick, als an Bord des feindlichen Schiffes wieder die ersten Kanonen ausgerannt wurden, ließ Bourne das Entermesser sinken. Auf das Zeichen hin donnerte die britische Breitseite und brach sich noch an der Steilküste der Belle Ile.
    Holzsplitter sausten durch die rollende Qualmwolke. Bourne war den Franzosen zuvorgekommen, denn ihre Breitseite wurde in eine Wand aus Rauch abgefeuert und traf nicht präzise genug. Hayden beobachtete, wie die Matrosen an Bord der Tenacious die Pulverkartuschen mit Rammern in die Kanonenläufe stopften.
    Die Tenacious schwenkte langsam in den Wind. Die Toppsegel killten für einen Moment und wurden dann wieder gegen die Masten und Takelage gedrückt, als die Rahen gedreht wurden. Genauso schnell wurden die Brassen der Rahen erneut gezogen, sodass das Schiff durch den Wind fuhr und gegen die Steuerbordseite des Franzosen getrieben wurde. Auf weniger als zehn Yards feuerten beide Schiffe ihre Breitseiten ab. Das scharfe Knallen der Musketen setzte ein. Augenblicke später prallten die beiden Fregatten mit dumpfem Laut gegeneinander, und auf beiden Seiten stimmten die Besatzungen ein Jubeln

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