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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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bin ich mir sicher.«
    Der Junge schüttelte den Kopf und sagte in traurigem Ton: »Einer wie ich nicht, Mr Hayden. Mich werden sie hängen. Schauen Sie, was sie mit McBride gemacht haben, und dabei war er gar nicht schuld ...«
    Hayden gefielen die Worte des Jungen nicht, als wisse Giles, dass McBride unschuldig war. »Aber du hast Penrith nicht getötet«, betonte er. »Stuckey hat gelogen.«
    Einen Moment lang sah es ganz danach aus, als würde der Junge in Tränen ausbrechen. Er wandte den Blick ab. »Ich wollte nicht, dass es dazu kommt, Mr Hayden. Ich dachte, ich könnte ihm ein bisschen Angst einjagen, damit er meinen Namen von der Liste streicht. Stuckey sagte, ich würde hängen für die Unterschrift, aber da zog Penrith ein Messer ...«
    »Und du hast zugelassen, dass McBride dafür hängen musste ...«, rutschte es Hayden erschrocken raus.
    »Er war eine lügnerische, verdammte Landratte. Keiner trauerte ihm nach.«
    Hayden konnte seine Abscheu nur schlecht verbergen. »Leg die Pistole zur Seite, Giles. Du wirst jeden an Bord umbringen, auch dich.«
    »Ich habe eine Kugel in den Bauch bekommen, Mr Hayden. »Blut und Scheiße fließen nur so aus mir heraus.« Er schloss die Augen. Die Hand mit der Pistole begann zu zittern.
    »Der Doktor hat schon andere wieder zusammengeflickt.«
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Sagen Sie Ihren Männern, sie sollen die Waffen niederlegen, Mr Hayden. Oder ich jage die Themis in die Luft.«
    »Du hast Penrith nicht mit Absicht getötet und quälst dich seither mit seinem Tod. Das sehe ich dir doch an. Hast du jetzt wirklich vor, zweihundert Menschen zu töten?«
    »Ich bin längst zur Hölle verdammt. Was machen da noch ein paar Morde mehr?«
    Hayden entging nicht, dass der Hüne das Schloss der Pistole mit dem Daumen fühlte und sich vergewisserte, dass die Waffe auch scharf war.
    »Giles ...?«, sagte da eine leise Stimme.
    Überrascht drehte sich Hayden um und sah, wie sich Aldrich - hager und geisterhaft blass - steif an den Männern vor dem Magazin vorbeizwängte. Jede Bewegung war für ihn schmerzvoll, aber Aldrichs Blick war klar, in seinen Augen lag Entschlossenheit. Hayden trat beiseite, als sei Aldrich ein höherer Offizier.
    »Hatten wir nicht schon genug Tote? Das war nie unsere Absicht, als wir davon sprachen, nach Amerika zu segeln.« Aldrich ließ sich auf die Schwelle der Tür sinken und lehnte sich schwer gegen den Rahmen, da er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte.
    »Mr Aldrich ...«, begann der Junge, und Tränen liefen ihm über die Wangen. »Wir sind doch alle tote Männer ...«
    »Nicht alle«, sagte Aldrich leise, und Traurigkeit und Enttäuschung schwangen in seiner Stimme mit. »Nicht Mr Hayden oder Mr Wickham hier. Auch viele deiner Kameraden nicht. Ich bin auch noch nicht tot.« Er streckte die Hand nach dem Jungen aus. »Es hat genug Gewalt unter der eigenen Besatzung gegeben, Giles.«
    Der Hüne begann zu schluchzen, seine Hand zitterte furchtbar. Er schrie auf, als ihn ein stechender Schmerz durchfuhr.
    »Tut mir leid, Mr Aldrich - aber so lautet die Vereinbarung. Ich habe geschworen, das Pulver zu zünden, wenn unser Schiff erobert wird. Wir werden alle hängen, wenn ich's nicht tue.«
    Hayden durchzuckte es heiß. Er befürchtete, dass die unheimliche Stille an Bord jeden Augenblick von einer Explosion erschüttert werden würde, die schlimmer wäre als alles, was er je in einem Gefecht erlebt hatte. Einen Charles Saunders Hayden gäbe es dann nicht mehr.
    Giles schloss erneut vor Schmerzen die Augen. Aldrich beugte sich leise vor und griff mit einer bleichen Hand nach der Waffe.
    Im selben Moment stürzte Hayden ins Magazin.
    Aldrich bekam zwar die Waffe zu fassen, doch Hayden ahnte, dass der geschwächte Matrose dem jungen Giles nicht gewachsen war.
    Ehe der Hüne reagieren konnte, packte Hayden ihn und schleifte ihn aus der Pulverkammer, während Aldrich die Pistole fest umklammert hielt. In dem Gerangel stürzten sie alle drei zu Boden. Verzweifelt tastete Hayden nach der Waffe und atmete erleichtert auf, als er sah, dass sich Aldrich zur Seite gerollt hatte, nun erschöpft auf dem Rücken lag und die Pistole an sich drückte.
    Ein anderer Matrose besaß die Geistesgegenwart, die Tür zur Pulverkammer zuzudrücken. Hayden stieß den Jungen von sich und kam auf die Knie.
    Giles lag zusammengekrümmt da und atmete schwer. Wickham bückte sich und drehte den Hünen auf den Rücken, der vor Krämpfen zuckte und die Augen verdrehte.

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