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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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Doch dann lag er still da und stieß einen langen Seufzer aus, als habe er in den letzten Sekunden seines Lebens noch eine tiefe Befriedigung erfahren.
    »Aldrich? Sind Sie verletzt?«, fragte Hayden.
    Der Mann schüttelte den Kopf, hielt inne und nickte dann. Er begann zu weinen und ließ die Pistole los, die dumpf auf dem Boden aufschlug. Mit einer Hand bedeckte er die Augen und rollte sich auf die Seite, sodass sein zerschundener Rücken zu sehen war.
    Sie wussten alle nicht, was sie sagen sollten, sondern standen nur stumm und unschlüssig da, bewegt vom Kummer dieses Mannes, den sie respektierten. Doch schließlich kam Aldrich wieder taumelnd auf die Beine und wischte sich die Tränen mit schwieligen Fingern fort. Einige Männer stürzten vor, um den Vollmatrosen zu stützen.
    »Sie sind ein hohes Risiko eingegangen, Aldrich«, sagte Hayden anerkennend.
    »Ich habe meinen Finger hinter den Abzug geklemmt, Mr Hayden. Beinahe hätte Giles ihn zerquetscht, aber die Waffe konnte nicht feuern.«
    »Das war sehr mutig von Ihnen. Ohne Sie wären wir vermutlich jetzt alle tot.« Hayden sah, dass Aldrich schwankte. »Bringen Sie Mr Aldrich wieder ins Lazarett. Und bitten Sie den Doktor, sich um ihn zu kümmern, sobald er kann.« Hayden merkte, dass er den Vollmatrosen nun auch mit »Mr« anredete, wie es die anderen Besatzungsmitglieder taten.
    Hayden ließ drei Wachtposten vor dem Magazin zurück, erklomm die Stufen und schritt über das Unterdeck nach achtern. Unweit der Offiziersmesse stieß er auf Hawthorne, der soeben aus dem Niedergang stieg.
    »Haben Sie die andere Pulverkammer gesichert, Mr Hawthorne?«
    »Ja, Mr Hayden. Kein Problem, es war niemand in der Nähe.«
    »Sie haben Wachen an der Tür postiert?«
    »Habe ich, Sir.« Das schweißnasse Haar klebte dem Leutnant der Seesoldaten an der Stirn. Eine Hand hatte er mit einem notdürftigen Verband umwickelt.
    »Suchen Sie sich einige Männer und durchkämmen Sie alle Decks. Jagen Sie die Ratten aus ihren Schlupflöchern, damit uns nicht noch einer einen bösen Streich spielt.«
    »Aye, Sir.«
    Als Hayden wieder an Deck stieg, sah er einen französischen Offizier, der gerade mit dem Säbel in der Hand über die Reling kletterte. Die Männer der Themis schauten einander verwirrt an. Hayden musste schnell handeln: Er griff in seine Rocktasche, holte ein Taschentuch hervor, presste es sich vor den Mund und sagte in lautem Französisch: »Monsieur! Monsieur! Sie können nicht auf dieses Schiff! Diese Engländer haben Gelbfieber. Deshalb haben sie nur noch die halbe Besatzung, alle anderen sind tot. Gehen Sie! Gehen Sie!« Mit der freien Hand verscheuchte er den Mann vom Deck. »Zurück in Ihr Boot - rasch!«
    Der Offizier brauchte einen Moment, ehe er die Bedeutung der Worte erfasste, doch dann kletterte er mit schreckgeweiteten Augen wieder über die Reling und trieb die Männer, die hinter ihm die Jakobsleiter erklommen, zurück ins Beiboot.
    Hayden trat ans Schanzkleid und schaute hinab auf die Männer in den Booten.
    »Das Fieber«, hörte er sie aufgeregt sagen. »Sie haben das Fieber!« Diese Worte wirkten Wunder, denn die französischen Rudergasten legten sich in die Riemen und pullten hektisch fort.
    Als die Gig des Kommandanten das Heck der Themis verließ, hörte Hayden jemanden in französischer Sprache rufen: »Das sind Engländer! Hören Sie! Das ist ein Trick. Das sind Engländer!« Endlich verstummte der Rufer, da ihm jemand den Mund zuhielt. Hayden drehte sich um und sah Marin-Marie, der von der Reling der Dragoon gezerrt wurde und sich hartnäckig an den Wanten festklammerte.
    »Bringen Sie diesen Irrsinnigen wieder zum Arzt!«, rief Hayden auf Französisch. »Haben wir nicht schon genug Schwierigkeiten ohne seine törichten Wahnvorstellungen?« Schnell wandte er sich wieder dem französischen Offizier zu. »Wir tun, was wir können, und ziehen das englische Schiff dann zu einem Quarantäne-Kai. Würden Sie schon einmal die Hafenbehörde warnen, damit uns keine Boote entgegengesandt werden?«
    »Brauchen Sie denn keine Unterstützung?«, rief der Offizier, der in der Achterspitze seines Bootes stand.
    »Nein, danke, Leutnant. Wir kommen zurecht. Ich hoffe nur, dass Sie sich nicht angesteckt haben.«
    Hayden glaubte auf die Entfernung zu sehen, dass dem jungen Mann die Farbe aus dem Gesicht wich.
    »Viel Glück!«, rief der Leutnant noch, setzte sich dann und trieb seine Rudergasten an.
    »Mon Capitaine«, sprach Wickham ihn französisch an. »Wie

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