Unter feindlicher Flagge
er, die Hände am Mund zu einem Trichter geformt, obwohl die Schiffe nicht mehr weit auseinander lagen. »Wir haben uns unserer Offiziere entledigt und wollen unser Schiff in den Hafen von Brest bringen. Wir wollen zu Ihnen. Verstehen Sie? Uns an der Revolution beteiligen ...«
»Sagen Sie ›Legen Sie die Waffen nieder, dann werden wir reden‹«, wisperte Hayden Marin-Marie zu.
»Legen Sie die Waffen nieder, Monsieur, und wir werden verhandeln!«, rief der französische Offizier. Leise zu Hayden sagte er: »Pardon, Monsieur, ich sagte verhandeln.«
Aber Hayden war das gleich. Er beobachtete, wie die Karronade ausgerichtet wurde, wie sich die Männer darüber beugten. Er erkannte sogar den Mann an der Abzugsleine - der Gehilfe des Segelmachers namens Dalford Black. Der Schweiß lief ihm über den kahlen Schädel. Die Männer auf der Themis waren unentschlossen und konnten sich offenbar nicht einigen - doch dann fiel die Entscheidung.
»Und finden uns dann in einem französischen Gefängnis wieder!«, schrie einer der Meuterer. »Niemals!«
In der Menge entdeckte Hayden den großen Bill Stuckey, der in diesem Augenblick die Pistole hochriss und abdrückte. Marin-Marie fuhr herum, stürzte aufs Deck und hielt sich den Arm.
»Feuer!«, sagte Hayden zu Baldwin. Die Kanone, noch heiß von den letzten Schüssen, schnellte zurück und zertrümmerte ein Stück des Schanzkleids der Themis. »Runter vom Vorderdeck!«, befahl Hayden, schob Leute vor sich her und half Marin-Marie auf die Beine.
»Bringen Sie ihn zum Arzt!«, rief er den Seesoldaten zu.
In diesem Moment feuerte die Karronade und löste einen wahren Schauer aus Holzsplittern aus, aber da hatten sich die Männer auf der Dragoon schon in Sicherheit gebracht.
»Feuern, wenn sie zielen«, sagte Hayden zu Tristram Stock, der das verabredete Signal an einen Mann weitergab, der an der Gangway stand. Von dort aus wurde der Befehl an das untere Kanonendeck und die Geschützbedienungen auf dem Quarterdeck weitergegeben. Hayden hob sein Entermesser und wiederholte die Worte laut auf Französisch.
Unten feuerte die erste Kanone und ließ das Deck erzittern. Die Themis antwortete, und auf diese kurze Distanz war der Knall ohrenbetäubend. Rauchwolken stiegen zwischen den Schiffsrümpfen auf und verdeckten den Feind. Durch den Qualm schossen die Männer mit ihren Musketen aufs Geratewohl. Eine Kugel traf die Klinge von Haydens Entermesser, das klirrend aufs Deck fiel. Rasch hob er die Waffe wieder auf, die dennoch unbeschädigt geblieben war.
Segeltrimmer lösten Tuch, Niederholer die Stagsegel. Die oberen Rahen wurden abgesenkt, sodass die Segel in ihrem Geschirr hingen. Die Fock und das Großsegel wurden schnell aufgegeit, damit sie kein Feuer fingen. Die Besatzung der Tenacious arbeitete sicher und effizient.
Das Enterkommando versammelte sich auf der Gangway und auf dem Quarterdeck. Hayden konnte die Männer in dem Qualm nicht zählen, doch er kletterte auf die Reling, während Enterhaken geworfen wurden. Und nun blickte er auf die Männer, die zuvor seine Besatzung gebildet hatten - Jarvis, Clark, Freeman und den Gehilfen eines Kanoniers mit Namen Pool.
Die Batterien beider Schiffe feuerten nun fast zeitgleich. In der Hitze wallten Rauchwolken hoch, das Krachen des berstenden Holzes war ohrenbetäubend. Schon bald war es so laut, dass man keine Befehle mehr hören konnte, da die Schiffe aus kürzester Distanz aufeinander feuerten. Männer fielen getroffen auf die Planken. Hayden zog eine seiner Pistolen und sah vor sich hinter Rauchschwaden William Pool - einen freundlichen Mann, der Hayden stets mit Respekt begegnet war. Pool riss die Pistole hoch und sah erschrocken zu Hayden herüber, der den Mann mit einem Schuss niederstreckte.
Durch das Aufeinanderprallen der beiden Schiffe wurde Hayden gleichsam auf das Deck der Themis katapultiert, blieb mit einem Fuß in den Finknetzen hängen und landete auf Pool, der leblos und verdreht an Deck lag. Hayden rappelte sich hoch und erkannte, dass er nur deshalb noch lebte, weil so wenige Männer an Deck der Themis waren. Doch nun strömten sie über die Niedergänge nach oben, nachdem sie ihre Kanonen abgefeuert hatten.
Die Männer der Dragoon überwanden das Schanzkleid, und Sekunden später fand sich Hayden mitten im Getümmel wieder.
»Wir lassen uns nicht von den verfluchten Franzosen überrennen!«, schrie ein Mann und stürzte sich mit einer Pike auf Hayden.
Hayden wich noch rechtzeitig aus und spürte, dass
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