Unter feindlicher Flagge
Stimme und schaute kurz hinauf zum Oberlicht. »In Plymouth sind jede Menge Gerüchte in Umlauf. Man spricht von Meuterei und Mord. Es heißt, der Kapitän wurde ausgepeitscht und eine feindliche Fregatte erobert. Auch von Rache und Verwirrung des Feindes war die Rede. Als wir uns das letzte Mal sahen, retteten wir dich aus den Fängen eines französischen Kaperfahrers. Du warst dir danach nicht sicher, wie dein Kapitän dich empfangen würde. Was ist seither passiert, Charles?«
Ein Diener servierte Kaffee. Hayden wartete, bis der Junge die Kabine wieder verlassen hatte.
»Kaum hatten wir unseren südlichen Kurs eingeschlagen, als eine altmodische Brigg auftauchte und mit vollen Segeln auf uns zuhielt. Natürlich behauptete Hart, es könne sich nur um ein feindliches Schiff oder die Vorhut eines ganzen Geschwaders handeln, aber seine Offiziere protestierten und verhinderten eine weitere Flucht. Später setzte die Brigg die Signalflaggen. Sie stand unter dem Kommando eines jungen Leutnants, da der Kapitän am Vortag während einer Verfolgungsjagd das Leben verloren hatte. Bourne hatte den Leutnant losgeschickt, da er hoffte, uns oder ein anderes britisches Schiff zu finden, das ihm beim Aufbringen der Handelsschiffe helfen sollte, die vor der Belle Ile Schutz unter den Küstenbatterien gesucht hatten.«
Hayden erzählte nun die ganze Geschichte, beflügelt vom heißen Kaffee, und ließ kein Detail aus. Als er geendet hatte, lächelte Hertle.
»Du warst also nicht an Bord, als es auf der Themis zur Meuterei kam?«
»Ich hatte das Kommando über die Prise.«
»Dann hast du doch mit dem Kriegsgericht nichts zu tun«, meinte Hertle sichtlich erleichtert.
»Möglich, dass ich zur Zeugenaussage gerufen werde, aber weder Wickham - der Midshipman, der mit mir die Prise eroberte - noch ich werden in den Prozessakten genannt, und dafür bin ich dankbar. Obwohl Hart und seine Offiziere gewiss von jeglichen Fehlern freigesprochen werden, kann so ein Vorfall die Karriere eines Mannes nur beflecken.«
»Harts Karriere ist ohnehin schon befleckt. Sein Ruf innerhalb der Navy war nie schlechter. Man kann nur hoffen, dass ihm jetzt endlich auch die hohen Herren in der Admiralität ihre Unterstützung entziehen. Denn sonst gefährden sie ihren eigenen Ruf, da sie so lange die Hand über diesen Mann gehalten haben.«
»Hoffen wir es.« In diesem Moment musste Hayden an die verhassten Briefe an »Mr Banks« denken.
Sein Freund betrachtete ihn geduldig. »Du scheinst ein bisschen neben dir zu stehen, Charles. Wenn ich dich nicht besser kennen würde, würde ich dich für schwermütig halten.«
Hayden versuchte zu lächeln, doch das wollte ihm nicht gelingen. »Ja, ich fühle mich - seltsam. Vielleicht war es der Schlag auf den Kopf. Ich habe das Gefühl, dass ich von den Dingen entrückt bin, als wäre ich ganz und gar in meinem armen Geist gefangen.« Er suchte nach Worten. »Es war eine seltsame Fahrt. Ich begann als englischer Leutnant und musste mit meinem Kommandanten darüber disputieren, die Franzosen anzugreifen. Dann war ich eine Zeitlang ein französischer Capitaine, der ein englisches Kriegsschiff verfolgte und aufbrachte. Und jetzt bin ich wieder nur ein Leutnant ohne Zukunft in der britischen Navy.« Kopfschüttelnd sah er seinen Freund an, der ihn nachdenklich musterte. »Ich würde mich mehr über die Tatsache freuen, wieder den britischen Uniformrock zu tragen, wenn die Briten mich auch willkommen heißen würden. Stattdessen werde ich von den Landsleuten meiner Mutter als Verräter beschimpft und von den Engländern mit Verachtung gestraft. Aber hier bin ich nun, der einzige Offizier in der ganzen Flotte, der einen englischen Sieg feiert und gleichzeitig die französische Niederlage bedauert. In bin in zwei Hälften gerissen, Robert, und weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte.«
Robert lehnte sich in seinem Stuhl vor und stützte sich mit den Ellbogen auf dem Tisch ab. »Deine Entscheidung, auf Seiten der Briten zu stehen, kannst du nicht allein mit dem Kopf treffen, Charles. Auch mit dem Herzen, um es einmal so auszudrücken, musst du dabei sein. Stell dir vor, du würdest dich für eine Frau entscheiden. Rein vom Verstand her könntest du die klügste Verbindung eingehen, aber wenn du nicht mit dem Herzen dabei bist, wirst du nie glücklich sein. Im Gegenteil, du wirst ein Leben lang unglücklich sein.«
»Vielleicht hast du recht, aber wie schafft man es, auch mit dem Herzen dabei zu sein? Das ist ja
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