Unter feindlicher Flagge
haften blieben. Ob es ihm nun gefiel oder nicht: Derselbe Traum suchte ihn auch in der folgenden Nacht heim. Dafür hatte selbst Doktor Griffiths kein Heilmittel, und so blieb Hayden nur die Hoffnung, dass der Traum wieder verschwinden würde, sobald sich sein Geist erholte.
Im Plymouth Sund war die Themis inmitten all der Kriegs-, Fracht- und Handelsschiffe vor Anker gegangen. Ein Schwarm kleinerer Boote, teils mit Riemen, teils unter Segeln, huschte zwischen den großen Linienschiffen hin und her. Prahme und Lugger bahnten sich ihren Weg durch das Gewimmel aus Leichtern und Barkassen, Beibooten und Schmacken.
Die Prise, die französische Fregatte Dragoon, befand sich im Trockendock und wurde dort repariert und genau inspiziert. Die Aussichten standen nicht schlecht, dass die Fregatte bald ihren Dienst in der Flotte Seiner Majestät tun würde, was Hayden mit Freude erfüllte.
In seinem gegenwärtigen geistigen Zustand hatte Hayden es als anstrengend empfunden, für die Admiralität einen Bericht über die Fahrt mit dem französischen Prisenschiff zu schreiben. Der lange Brief an seinen speziellen Freund Mr Banks war ihm noch schwerer gefallen. Es war ein Spagat, bei der Wahrheit zu bleiben, ohne jedoch Hart schlechtzumachen oder die eigene Leistung zu sehr in den Vordergrund zu stellen - eine stilistische Herausforderung, der womöglich nur erfahrene Literaten gewachsen waren.
Inzwischen hatte Hayden vorübergehend das Kommando über die Themis, da sich Hart bereits vor einigen Tagen an Land in die Obhut eines bekannten Arztes begeben hatte. Die Fregatte hatte nur eine kleine Besatzung aus Matrosen, die sich zur Zeit der Meuterei mit Hayden an Bord der Prise befunden hatten, und aus loyalen Mannschaftsmitgliedern, die von den Meuterern in den Booten ausgesetzt worden waren. Alles in allem achtzig Mann, von denen beizeiten zwanzig an Bord der Tenacious zurückkehren würden. Landry und Archer hatten gebeten, an Land gehen zu dürfen, und Barthe war mal auf dem Schiff, dann wiederum an Land, da seine Frau mit den Töchtern in der Stadt Quartier genommen hatte - eigentlich ein unbezahlbarer Luxus, wenn der Master nicht die Aussicht auf das Prisengeld gehabt hätte, das gewiss bald durch das Prisengericht bewilligt würde. Tagsüber kehrte der Master an Bord zurück, um die Arbeiten an Deck zu beaufsichtigen.
Die meisten Midshipmen, unter ihnen auch Wickham, durften ihre Familien besuchen, wenn auch nur kurz. Es würde ein Kriegsgericht einberufen werden, sobald Harts Gesundheitszustand dies erlaubte.
Einige der Kranken und Verletzten wurden an Land zu einem Arzt gebracht, aber die meisten blieben in der Obhut von Doktor Griffiths, darunter auch Franks, der seinen Fuß nicht eingebüßt hatte, auch wenn Griffiths von schweren Knochenbrüchen ausging. Nach wie vor litt der Bootsmann unter starken Schmerzen.
»Kapitän kommt!«, rief einer der Wachtposten.
Hayden erblickte eine Gig, die zur Themis gerudert wurde. Auf der Heckducht saß ein Offizier von offenbar hohem Rang. Hayden ließ sich ein Fernglas bringen, stellte es scharf und sah einen über beide Ohren strahlenden Robert Hertle.
Hastig an Deck gerufene Seesoldaten reihten sich auf und präsentierten das Gewehr, als der Kommandant mit allen Ehren an Bord willkommen geheißen wurde.
»Wie ich sehe, hast du tatsächlich deinen Posten erhalten«, sagte Hayden, nahm den Hut ab und schüttelte seinem Freund die Hand.
»Die Lords der Admiralität verliehen mir das Kommando über eine neue Fregatte. Sie liegt im Hamoaze vor Anker und wird für die Fahrt vorbereitet.«
Hayden gratulierte von ganzem Herzen und war kaum neidisch auf seinen Freund. Daraufhin zogen sich die beiden in die Kapitänskajüte zurück. Inzwischen hatte Hart sämtliche persönlichen Dinge abholen lassen und hegte offenbar nicht die Absicht, noch einmal einen Fuß auf die Themis zu setzen.
»So, du hängst deine Hängematte in der Großen Kabine auf, in Vorfreude auf eine Beförderung, nehme ich an?« Hertle nahm auf einem der Stühle Platz.
»Nein, ich bin immer noch in meiner Kabine in der Offiziersmesse. Sollte Hart zurückkommen, so würde er es als unverzeihlichen Fehltritt erachten, wenn er mich in seiner Kajüte vorfände. Er hat zwar all seine Habseligkeiten abholen lassen, aber das heißt noch nichts. Dennoch habe ich die Kajüte benutzt, um Angelegenheiten an Bord zu regeln.«
»Ich bin schon ganz gespannt, was du zu erzählen hast, Charles«, sagte Hertle, senkte dabei die
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