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Unter Freunden

Unter Freunden

Titel: Unter Freunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amos Oz
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Fingerspitzen eine Locke und ging leise hinaus.
    Eine halbe Stunde lang lief er den Zaun entlang, dabei entdeckte er zwei defekte Laternen und nahm sich vor, morgen Nachum Ascherow, dem Elektriker, Bescheid zu sagen. Kurz vor zwei schaute eine Mondsichel zwischen den Wolken hervor, und bald darauf begann in dünnen, schrägen Streifen Regen zu fallen. Joav ging zum Babyhaus, um dort in der Küche mit Zippora eine nächtliche Tasse Kaffee zu trinken. Er legte seine Waffe vorsichtig auf den Küchenboden und setzte sich, zog aber den Militärmantel nicht aus und nahm die Mütze nicht ab. Zippora goss ihm einen schwarzen Kaffee ein, schmierte ihm zwei Brote mit Margarine und Marmelade und verkündete traurig: »Das wird nicht gut ausgehen, Joav, deine Geschichte mit Nina Sirota. Hör auf mich.«
    »Ich habe nichts mit Nina Sirota. Sie hatte einfach ein dringendes Problem, und ich musste ihr helfen, es zu lösen. Bei uns ist ein Kibbuzsekretär auch mitten in der Nacht Kibbuzsekretär.«
    »Es wird nicht gut ausgehen«, beharrte Zippora. »Ein verheirateter Mann läuft nicht mitten in der Nacht mit der Frau eines anderen herum.«
    »Zippora, hör mir einen Moment zu: Bitte halte dich zurück und rede morgen nicht über mich und Nina, damit kannst du helfen, ein heikles familiäres Problem zu lösen. Du bist ein verantwortungsbewusster Mensch und verstehst bestimmt, dass du diskret sein musst, weil es sich um eine diskrete Angelegenheit handelt.«
    »Was für ein familiäres Problem? Eines von dir oder von ihr? Oder von euch beiden?«
    »Zippora, ich bitte dich, lass es.«
    Doch als er die Küche verließ, wusste er, dass seine Worte nichts genutzt hatten, morgen würden er und Nina im ganzen Kibbuz das Gesprächsthema des Tages sein. Er würde die Geschehnisse dieser Nacht seiner Frau erklären müssen, die längst wusste, dass Joav früher einmal in Nina verliebt gewesen war. Das würde kompliziert und trübe werden.
    Der Wind trieb am schwarzvioletten Himmel schwere, dunkle Wolken vor sich her. Eine tiefe Ruhe lag über dem Kibbuz. Die Laternen am Zaun gossen blasse gelbe Pfützen auf den Boden. Eine schien kurz vor dem Verlöschen, ihr Licht flackerte zögerlich. Joav ging leise an den Schatten der Büsche vorbei Richtung Scheune. Schlamm blieb an seinen Stiefeln kleben. Blind bist du, flüsterte er sich verzweifelt zu, blind und taub bist du. Er dachte daran, wie Nina, als er versprochen hatte, ihr ein Zimmer für die Nacht zu finden, mit beiden Händen seine Hand umfasst und fest gedrückt hatte. Du hättest ihren Wunsch verstehen und sie umarmen müssen. Sie hat dir ein Zeichen gegeben, und du hast das Zeichen ignoriert. Und im Sekretariat hat sie das Zeichen wiederholt, als sie deine Schulter berührte, und wieder hast du es ignoriert.
    Seine Füße trugen ihn am Kultursaal und dem Kinderhaus vorbei, zurück zum Sekretariat. Er überquerte den Rasen vor dem Speisesaal. Wie träumend blieb er vor dem erleuchteten Bürofenster stehen. War sie vielleicht eingeschlafen, ohne das Licht auszumachen? Oder war sie noch wach? Auf Zehenspitzen schlich er näher und spähte durch das Fenster. Nina lag auf dem Sofa, die Wolldecke, die er ihr gebracht hatte, über sich gezogen, ihr heller Kopf ruhte auf dem Kissen, und ihreoffenen Augen waren zur Decke gerichtet. Hätte er an die Scheibe geklopft, hätte sie sich erschreckt, und das wollte er nicht. Deshalb entfernte er sich leise, und stellte sich, die Waffe über der Schulter, in die Dunkelheit zwischen den Zypressen. Und kämpfte mit sich, ohne zu einer Entscheidung zu kommen.
    Konnte er nicht einfach an die Tür klopfen und eintreten und sagen, ich habe gesehen, dass das Licht noch brennt, und ich bin nur hereingekommen, um nachzuschauen, ob du noch etwas brauchst. Oder: Ich bin hereingekommen, um zu sehen, ob du nicht frierst. Oder: Ich bin hereingekommen, um zu fragen, ob du vielleicht möchtest, dass wir ein wenig miteinander sprechen. Sie liegt die ganze Zeit mit offenen Augen hier, direkt auf der anderen Seite der Wand, dachte er, als wartete sie nur auf dich, und jetzt ist es schon nach zwei, und der ganze Kibbuz schläft tief.
    Wieder näherte er sich dem erleuchteten Fenster, die Mütze über die Ohren gezogen, den Kopf leicht vorgeneigt, seine Brillengläser funkelten in der Dunkelheit, weil sich das Licht in ihnen spiegelte, sein Herz flog ihr zu, doch seine Beine waren wie festgewurzelt. Er hatte doch all die Jahre auf diesen Augenblick gewartet, warum erfüllte

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