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Unter goldenen Schwingen

Unter goldenen Schwingen

Titel: Unter goldenen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Luca
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Stillen bewunderte ich Seraphela dafür, dass sie unter den stechenden Blicken der Erzengel nicht zurückwich, sondern aufrecht stehen blieb.
    »Die Wahrnehmung eines Erzengels ist feiner als meine«, sagte sie mit klarer Stimme. Es klang nicht wie eine Entschuldigung; sie nannte einfach eine Tatsache. »Das Gefühl war so kurz, so schwach, dass es mir entging. Ein unverzeihlicher Fehler, das streite ich nicht ab.«
    »Der Schutzengel konnte spüren, was dir entging?« Der ungläubige, beinahe spöttische Ton in der Stimme des dunklen Erzengels ließ mein Herz aussetzen.
    Doch Seraphela zuckte nicht mit der Wimper. »Nathaniel ist der beste Schutzengel, den ich kenne«, sagte sie mit fester Stimme. »Vielleicht war es sein Instinkt, der ihn auf Victorias winzigen Hoffnungsschimmer reagieren ließ.«
    »Dann hat er auf etwas reagiert, das er gar nicht wahrgenommen hat?«, höhnte der dunkle Engel und meine Hand krampfte sich so fest um Nathaniels Arm, dass ich fürchtete, meine Knöchel würden brechen. Ich war so angespannt, dass ich nicht sicher war, wie lange meine Beine mich noch halten würden.
    Seraphela griff meinen Ellbogen und schlang ihren Arm um meine Taille und ich wusste, ich würde nicht fallen.
    »Er ist ein besserer Engel als ich«, sagte sie mit erhobenem Kopf. »Sein Instinkt hat auf den Hoffnungsschimmer seines Schützlings reagiert, bevor sein Verstand ihn wahrgenommen hat. Ich sage, Victorias Rettung war erfleht. Bei allem Respekt – beweist das Gegenteil.«
    Seraphela hielt dem bohrenden Blick des Dunklen stand. Ich wusste nicht, wie sie es schaffte.
    »Nathaniel«, sagte Michael ruhig. »Hast du auf den Hoffnungsschimmer deines Schützlings reagiert?«
    Es wurde so still in der Kapelle, dass ich meinen eigenen Herzschlag hören konnte. Sera, Ra und ich starrten Nathaniel an.
    Er stand wie versteinert vor den Mächtigen.
    »Ich habe auf meinen Instinkt gehört«, sagte er schließlich leise.
    »Er gibt zu, dass er den Hoffnungsschimmer nicht wahrgenommen hat!«, zischte Uriel.
    »Das beweist nicht, dass es nicht trotzdem der Hoffnungsschimmer war, der Nathaniels Beschützerinstinkt ausgelöst hat«, sagte Ramiel respektvoll. »Es gab Victorias Hoffnungsschimmer vor Nathaniels Eingreifen. Das ist eine Tatsache.«
    »Aber hat die Hoffnung der Sterblichen Nathaniels Reaktion ausgelöst ?«, zischte der düstere Engel und fixierte Ramiel flammend. Die Luft zwischen den beiden knackte und knisterte.
    Doch Ramiel wich keinen Millimeter zurück. Meine Achtung für ihn vervielfachte sich. Sein entschlossener Blick ruhte auf Seraphela, als er ihre Worte wiederholte: »Victorias Rettung war erfleht. Bei allem Respekt – beweist das Gegenteil.«
    Das war es. Mehr hatten wir nicht. Wenn die Erzengel diese Verteidigung nicht akzeptierten, war Nathaniel verloren. Im Stillen dankte ich Ra und Sera, die eine Argumentation vorgebracht hatten, zu der ich nicht fähig gewesen wäre. Ich war kaum fähig, mich auf den Beinen zu halten.
    Wir warteten endlose Sekunden, während sich die Erzengel stumm berieten. Ich fragte mich, ob Nathaniel und die anderen beiden hören konnten, was vor sich ging – doch Nathaniels angespannter Gesichtsausdruck ließ es mich bezweifeln.
    »Die Tatsachen liegen anders, als wir angenommen hatten«, sagte Michael schließlich und sein deutliches Flüstern hallte von allen Wänden. »Es gab einen Hoffnungsschimmer des Schützlings, und es gab das Eingreifen des Schutzengels. Das sind Fakten. Noch nie ist ein Engel gefallen, der auf erflehte Hilfe reagiert hat.«
    »Hat er das?«, zischte der dunkle Erzengel.
    Michael wandte sich ihm zu und ich hielt den Atem an. »Ich verstehe deinen Zweifel, Uriel«, sagte er. »Doch es ist, wie Seraphela und Ramiel gesagt haben: der Hoffnungsschimmer erschien vor Nathaniels Eingreifen. Wir alle haben es selbst gesehen. Jedoch … hat er Nathaniels Eingreifen ausgelöst ?« Michaels durchdringender Blick ruhte lange auf Nathaniel.
    Mein Herz schlug so heftig, dass es schmerzte. Nathaniel hielt Michaels Blick stand.
    Schließlich wandte sich der Erzengel wieder Uriel zu. »Kannst du beweisen , dass das Gefühl der Hoffnung seines Schützlings Nathaniels Eingreifen nicht ausgelöst hat?«
    Ich hielt den Atem an. Uriel ließ ein Knurren hören, das mir unter die Haut ging.
    Michael schien völlig unbeeindruckt und ignorierte den zornerfüllten Ausdruck im Gesicht des dunklen Erzengels. Er wandte sich dem dritten Erzengel zu. »Gabriel?«
    Die beiden

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