Unter goldenen Schwingen
Glucksen.
»Wir sind frei!«, keuchte ich so rau, dass ich selbst erschrak.
Nathaniels herrliches Lachen hallte von allen Wänden. Ohne seine Umarmung zu lockern, setzte er mich behutsam wieder auf die Füße. Die Anspannung war völlig von ihm abgefallen und seine hellbraunen, golden gesprenkelten Augen strahlten vor Dankbarkeit und Zuneigung. Noch nie war er schöner gewesen.
Sein Lachen war unwiderstehlich. Ich bemerkte, dass ich ihn in meiner Aufregung viel zu fest umklammert hielt.
»Tut mir leid«, murmelte ich verlegen. »Jetzt, wo wir das Tribunal überstanden haben, will ich dich nicht im letzten Moment zerquetschen.«
Er lachte wieder, hinreißender als zuvor, und zog mich fester an sich.
»Du hast mich gerettet«, flüsterte er und die Dankbarkeit in seiner Stimme jagte mir einen angenehmen Schauer über den Körper. »Du hast uns beide gerettet.«
Ich spürte die Röte in meinen Wangen. »Du kannst den Job wieder haben, wenn du willst.«
»Ich behalte ihn für immer«, flüsterte er.
Ich schluckte. »Ich hatte furchtbare Angst, dich zu verlieren«, gab ich leise zu.
»Du sollst so etwas nie wieder durchmachen müssen.« Er streichelte sanft über meinen Kopf. Dann runzelte er die Stirn. »Du hattest wirklich Angst, mich zu verlieren?«
»Mehr, als du dir vorstellen kannst.«
Er sah verwundert aus. »Deine Zuversicht war ziemlich überzeugend. Ich habe dir wirklich abgenommen, dass du fest an meine Rettung geglaubt hast.«
»Ich habe fest an deine Rettung geglaubt. Weil ich mir eine Welt ohne dich einfach nicht mehr vorstellen kann.«
Er strich mir zärtlich eine Haarsträhne aus der Stirn.
»Ich bin neugierig, zu erfahren, wie dir dieses Wunder gelungen ist. Aber es gibt noch jemanden, der darauf brennt, es zu hören.« Er deutete mit dem Kopf nach draußen. »Sie warten darauf, dass du dich ausgeruht hast.«
Ra und Sera.
Ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Innern aus, als ich an die beiden dachte. Zum ersten Mal wurde mir klar, wie stolz ich auf meine Engel war. Seit ihrem Einsatz vor dem Tribunal sah ich Sera mit anderen Augen.
Ich griff nach Nathaniels Hand und ging zum Ausgang der Kapelle. »Tut mir leid, dass ich gestern zusammengeklappt bin«, sagte ich.
»Eigentlich hast du dich gut gehalten. Ich hatte mit viel Schlimmerem gerechnet.«
Ich schaute ihn überrascht an.
Er schüttelte den Kopf, als wäre klar, was er meinte. »Das waren Erzengel , Victoria. Ihre unmittelbare Nähe ist für Sterbliche nicht leicht zu ertragen.«
»Oh. Warum hast du mir das nicht vorher gesagt?«
Seine Augen funkelten. »Hätte es dich etwa davon abgehalten, mitzukommen?«
»Auch wieder wahr. Aber ein kleiner Tipp wäre hilfreich gewesen.« Ich drückte das Tor der Kapelle auf. Kalte, klare Luft und Sonnenschein empfingen uns und ich blinzelte. Mein Atem erschien in kleinen Wölkchen vor meinem Gesicht.
Im nächsten Augenblick war ich umgeben von einem Wirbel aus Bronze und Weiß und die Luft wurde mir aus den Lungen gedrückt. Ich keuchte überrascht und hörte Nathaniels Lachen, während Ra mich wieder auf die Füße stellte. Sera stand neben ihm und sah uns zu, und selbst auf ihrem Gesicht lag ein Lächeln.
»Pass auf«, knurrte Nathaniel scherzend. »Ich habe gehört, diese Sterbliche hat einen ausgezeichneten Schutzengel.«
Ich fühlte, dass ich rot wurde. »Gut, dass ihr euch noch an gestern erinnert. Ich hatte es beim Aufwachen vergessen.«
Zu meiner Verwunderung nickte Ra. »Die Erzengel haben eine solche Wirkung auf den menschlichen Verstand. Ihre Nähe ist einfach zu viel für euch.«
»Warte … soll das heißen, du hast mich gestern bei Verstand gehalten?«, fragte ich.
»Und er hat seine Sache sehr gut gemacht«, sagte Nathaniel leise. »Sonst hättest du wahrscheinlich keinen einzigen klaren Gedanken fassen können.«
Ramiel neigte den Kopf.
»Vergessen wir Sera nicht«, sagte er dann. »Sie hat deine Gefühle kontrolliert, deine Angst …«
Sera zeigte keine Regung.
»In Ordnung, ihr wart beide großartig«, lachte Nathaniel, legte seinen Arm um meine Schultern und drückte mich an sich. »Aber Victoria hat das Unmögliche geschafft.«
Ich grinste verlegen. »Ich habe bloß die Idee geliefert. Ihr zwei gebt wirklich gute Anwälte ab, wisst ihr das?«
»Du hättest uns nicht bis zum letzten Moment auf die Folter spannen müssen«, sagte Ra. »Das nächste Mal sag uns bitte früher, dass du eine geniale Lösung für ein unlösbares Problem hast.«
»Es wird kein
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