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Unter goldenen Schwingen

Unter goldenen Schwingen

Titel: Unter goldenen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Luca
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kommunizierten stumm miteinander. Meine Finger krallten sich in Seraphelas Arm, als hinge mein Leben davon ab.
    Als sich Michael uns zuwandte, war es in der Kapelle so still, dass ich das Blut in meinen Ohren rauschen hörte. Vielleicht lag es auch an meinem Herz, das wie verrückt schlug.
    »Unsere Entscheidung ist einstimmig«, sagte Michael. Sein Ton war endgültig.
    Ich kämpfte mit jeder Faser meines Körpers darum, aufrecht stehen zu bleiben. Meine Beine fühlten sich an, als gehörten sie nicht mehr zu mir.
    »Unsere Gesetze wurden nicht gebrochen«, sagte Michael. »Es liegt keine Notwendigkeit mehr vor, diesen Vorfall weiter zu verfolgen.«
    Sein intensiver Blick ruhte auf Nathaniel, während Uriels schwarze Augen mich durchbohrten. Ich irrte mich nicht. Ich hatte den Zorn des dunklen Erzengels auf mich gezogen.
    Ich spürte, wie bei Michaels Worten ein Ruck durch Nathaniels Körper ging. Auch Seraphela erbebte neben mir. Erst jetzt erkannte ich, unter welcher Spannung auch sie gestanden hatte.
    Die drei Erzengel standen einen Augenblick stumm und bewegungslos, dann waren sie im Bruchteil eines Augenblicks verschwunden, und mit ihnen das gleißende Licht und die spannungsgeladene Atmosphäre.
    Ich sank vollkommen erschöpft zusammen und spürte noch, wie Seraphela und Nathaniel mich vorsichtig zu Boden gleiten ließen.
    Dann wurde alles schwarz.

ZWISCHEN HIMMEL UND HÖLLE

    Als ich erwachte, konnte ich mich nicht dazu durchringen, die Augen zu öffnen. Mir war wohlig warm und ich spürte Nathaniels Arme um mich, die mich zärtlich hielten. Ich wollte dieses Gefühl noch so lange wie möglich genießen, jeden Augenblick auskosten … denn ich wusste, es würde enden. Wenn die Erzengel ihre Entscheidung trafen, wenn Nathaniel fiel, würde ich ihn für immer verlieren … ich verscheuchte diese dunklen Gedanken und kuschelte mich in seine Umarmung. Ich wollte keine Ängste spüren. Nicht hier, nicht in diesem Augenblick.
    »Victoria.« Nathaniels samtenes Flüstern erklang an meinem Ohr. »Wach auf.«
    Nein. Noch nicht. Bitte noch nicht …
    »Victoria.« Seine schöne Stimme drang unbarmherzig in meinen Halbschlaf.
    Ich öffnete widerwillig die Augen, verärgert darüber, dass er mich aus diesem Moment gerissen hatte, einem Augenblick ohne Gefahr, ohne die Bedrohung des Tribunals.
    »Ich wollte noch nicht …«, murmelte ich verschlafen, doch ich verstummte mitten im Satz und sah mich desorientiert um. Mein Blick fiel auf uralte Steinmauern und Sonnenstrahlen, die durch hohe schmale Fenster fielen.
    Ich hatte keine Ahnung, wo ich mich befand. Ich lag in Nathaniels Armen, in einer halb sitzenden Position an seine Brust gelehnt. Doch ich war nicht zu Hause. Ich blinzelte. Das steinerne Gemäuer um mich kam mir bekannt vor.
    »Verzeih mir«, bat er leise, ohne seine Umarmung zu lösen. »War es wieder Lazarus, der dich gequält hat?«
    »Nein«, murmelte ich. »Das Tribunal …«
    Nathaniel blickte mich verständnisvoll an und ein Lächeln erschien auf seinen Lippen.
    Ich blinzelte verwirrt.
    Dann plötzlich kehrte die Erinnerung zurück und die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Die Ereignisse der vergangenen Nacht, das Tribunal der Erzengel, alles kehrte zurück.
    Ich stützte mich auf Nathaniels Brust, dann auf eine Kirchenbank und zog mich wackelig auf die Beine. Nathaniel erhob sich sofort, nahm meine Hand und half mir, aufzustehen. Mit steifen Beinen stakste ich Richtung Altar und trat in das Licht eines Sonnenstrahls.
    Bei Tage wirkte die Kapelle vollkommen anders als in der vergangenen Nacht. Ich starrte den Altar an und erinnerte mich an die Entscheidung der Erzengel.
    Es war vorbei.
    Wir waren frei.
    Wir waren frei …
    Diese Erkenntnis sickerte in mein Bewusstsein. Der bedrohliche Schatten des bevorstehenden Tribunals lag nicht mehr über uns. Meine ständig wachsende Angst, Nathaniel nicht retten zu können, bei dieser allerwichtigsten Aufgabe zu versagen – das alles war vorbei.
    Der immense Druck, unter dem ich gestanden hatte, fiel plötzlich von mir ab. Es war, als hätten sich Tonnen von Felsbrocken von meiner Brust gehoben. Ich fühlte mich federleicht, als würde ich schweben.
    Ich wandte mich Nathaniel zu, der mich besorgt beobachtete, und lächelte zaghaft. Seine Gesichtszüge entspannten sich, und er breitete seine Arme aus und bot mir seine Umarmung an.
    Ich warf mich an seine Brust, und drückte ihn an mich, so fest ich konnte. Ich lachte, doch meine Stimme war nur ein heiseres

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