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Unter goldenen Schwingen

Unter goldenen Schwingen

Titel: Unter goldenen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Luca
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umklammert.
    »Warum sind sie noch nicht hier?«, flüsterte ich und meine Zähne schlugen aufeinander – vor Kälte und vor Angst.
    Statt einer Antwort ertönte in einiger Entfernung der Schlag einer Kirchenglocke. Es war Mitternacht.
    Bereits beim ersten Schlag erschienen Ramiel und Seraphela. Ihr sanftes Schimmern erhellte die Kapelle und warf gespenstische Schatten an die hohen Steinmauern mit den gemeißelten Engeln.
    Die beiden nickten Nathaniel stumm zu und ich fühlte mich durch ihre Anwesenheit etwas besser. Ich hielt den Atem an und zählte die Schläge der Glocke. Sie würden jeden Moment erscheinen … ich drückte Nathaniels Arm fester, und er erwiderte meinen Griff. Der zwölfte Glockenschlag verhallte.
    Plötzlich veränderte sich etwas in der Atmosphäre der alten Kapelle. Ich fing am ganzen Körper unkontrolliert zu zittern an und selbst Nathaniels Arme konnten mich kaum noch halten. Mein Herz raste.
    Sie erschienen direkt vor dem Altar. Sie waren zu dritt, wie Ramiel gesagt hatte – doch sie sahen vollkommen anders aus als die anderen Engel.
    Ramiel und Seraphela wichen respektvoll zurück. Ich bemerkte nicht, dass meine Beine mich nicht mehr trugen – erst als ich die Kälte der Steinplatten unter meinen Knien spürte, wurde mir klar, dass ich zu Boden gesunken war.
    Nathaniel kniete neben mir, seine Arme und seine Flügel um mich gebreitet, um mich zu beruhigen. Es dauerte einige Zeit, bis ich merkte, dass er leise meinen Namen flüsterte. Ich hob den Kopf und richtete meinen Blick nach vorne.
    Die Erscheinung der Erzengel war so rein, so klar, so durchscheinend, als wären sie völlig materielos. Vollkommen durchsichtig, als bestünden sie nur aus reinem Licht, hell und strahlend.
    Ich konnte ihre gewaltige Macht spüren, ihre kraftvolle Präsenz, und musste all meinen Willen aufbringen, um ihrem Anblick standzuhalten.
    Das Licht des Erzengels, der in der Mitte stand, war weiß. Er war von vollkommener Schönheit und seine Stärke war greifbar und furchteinflößend. Seine weißen Schwingen strahlten so hell, dass meine Augen schmerzten. Er musste Michael sein.
    Zu seiner rechten stand ein Engel, dessen Licht sich ständig veränderte. In seinen weißen Flügeln schillerten alle Farben, wie ein Kaleidoskop aus regenbogenfarbenen Edelsteinen. Er wirkte einschüchternd und ätherisch, so ungreifbar wie der Wind. War er Gabriel?
    Der dritte Erzengel war … dunkel . Er strahlte anders als die anderen beiden, hatte eine Aura der Finsternis um sich, etwas Unheimliches, das mich erschauern ließ. Seine weißen Schwingen waren durchzogen von dunklen, funkelnden Strahlen, wie feine Ketten aus schwarzen Diamanten. Ich vermutete, dass er Uriel war.
    »Wir sind gekommen, um über das Schicksal des Schutzengels Nathaniel zu beraten.« Die Stimme des weißen Erzengels erklang und ließ mich bis ins Mark erbeben. Es war ein starkes, klares Flüstern, das von überall gleichzeitig zu kommen schien. Es hallte von allen Wänden und erklang gleichzeitig in meinem Innern.
    Seraphela trat an meine Seite und kniete neben mir nieder. Sie legte ihren Arm um mich und nickte Nathaniel zu. Er ließ mich widerstrebend los und erhob sich langsam, um den Erzengeln entgegenzutreten.
    »Ich bin hier«, sagte er mit ruhiger, beherrschter Stimme.
    »Du hast deinen Schützling gerettet, als sie bereits dem Tode geweiht war.« Es war eine andere Stimme, die jetzt sprach. Ein Flüstern, das sich zu drehen schien, manchmal harmonisch und manchmal verzerrt klang, das ebenfalls die ganze Kapelle und mein Inneres ausfüllte. Es war der Erzengel, dessen Licht sich ständig veränderte, der gesprochen hatte.
    »Ich bestreite es nicht«, sagte Nathaniel mit fester Stimme.
    »Du hast sie dem Tode entrissen«, sagte der dritte Erzengel, der Düstere, und sein Flüstern war ein dunkles Zischen, das mir unter die Haut ging. Es erinnerte mich an Lazarus‘ Art zu sprechen. Der dunkle Erzengel starrte mich an. Er war der Einzige der Drei, der mich bemerkt zu haben schien. Es wäre mir lieber gewesen, er hätte mich ignoriert, denn sein durchdringender, gefährlicher Blick brannte ein Loch in mein Inneres. »Sie war bereits verloren.«
    Nathaniels Stimme blieb respektvoll, doch sie nahm einen härteren Ton an. »Ich habe Victoria niemals aufgegeben.«
    »Es lag nicht an dir, das zu entscheiden«, erklang die Stimme des mächtigen, mittleren Erzengels, den ich für Michael hielt. »Sie war es, die sich selbst aufgegeben hat.«
    Ich klammerte

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