Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter goldenen Schwingen

Unter goldenen Schwingen

Titel: Unter goldenen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Luca
Vom Netzwerk:
wollte Ihnen dafür danken, dass Sie den Notarzt gerufen haben.«
    »Das war doch selbstverständlich.« Die Stimme des Mannes klang ein wenig entspannter. »Ich freue mich zu hören, dass es Ihnen gut geht. Ehrlich gesagt, bei dem Zustand Ihres Autos habe ich bereits das Schlimmste befürchtet.«
    »Ja …« Nach der Erfahrung mit dem Polizeibeamten drückte ich mich vorsichtiger aus. »Ich erinnere mich nicht mehr genau an das, was nach dem Unfall passiert ist, aber ich glaube, jemand hat mich aus dem Wrack befreit. Ich hatte gehofft, Sie könnten mir etwas darüber sagen.« Ich hielt den Atem an und wartete.
    »Ich habe der Polizei bereits alles gesagt. Als ich vorbeifuhr, habe ich Ihr Auto gesehen, das gegen die Mauer gefahren war, und überall lagen Fahrzeugteile verstreut. Sie lagen auf der Straße. Ich habe sofort angehalten und den Notarzt gerufen. Sie waren nicht ansprechbar, wahrscheinlich hatten Sie einen Schock oder so etwas, ich bin ja kein Arzt …«
    »Sie haben mich angesprochen?«
    »Ja, ich habe Sie vorsichtig am Arm geschüttelt, aber Sie haben nicht reagiert. Ich wollte Sie nicht bewegen, ich wusste ja nicht, ob Sie verletzt waren, ich meine, nach so einem schweren Unfall …«
    Mein Herz schlug bis zum Hals. Wenn Baumann nahe genug bei mir gewesen war, um mich am Arm zu schütteln, dann musste er direkt neben meinem Retter gestanden haben. Meine Kehle wurde trocken. »Der … der Mann, der bei mir gekniet ist … haben Sie mit ihm gesprochen?« Ich wartete gespannt.
    »Welcher Mann?«
    »Der Mann, der bei mir war. Der mich aus dem Wrack befreit hat.«
    Schweigen.
    »Sie waren allein«, sagte Baumann dann langsam.
    Ich schüttelte irritiert den Kopf. »Bitte denken Sie genau nach«, sagte ich so ruhig wie möglich. »Ich bin sicher, dass er da war. Ungefähr zwanzig Jahre alt, groß, blonde Haare … ?«
    »Es tut mir leid«, erwiderte Baumann und ich hörte seiner Stimme an, dass er sich unbehaglich fühlte. »Ich weiß nicht, was Sie meinen. Ich habe gewartet, bis der Krankenwagen gekommen ist, und die Polizei …«
    »Aber …«
    »Hören Sie, Frau …«
    »Winter.«
    »… Frau Winter, Sie hatten einen schweren Unfall. Vielleicht haben Sie sich etwas eingebildet. Da war sicher niemand sonst.« Baumanns Tonfall war endgültig. Das Gespräch schien ihm nicht ganz geheuer zu sein.
    »Ich soll mir eingebildet haben, dass mich jemand aus dem Wrack gezogen hat?« Meine Stimme klang aggressiver als beabsichtigt. Ich versuchte mühsam, mich beherrschen. »Waren Sie es vielleicht?«, fragte ich leise, und klammerte mich an diesen letzten Strohhalm. »Haben Sie mich gerettet?« Ich wusste, dass er es nicht gewesen sein konnte. Ich hätte die Stimme meines Retters sofort wiedererkannt.
    »Nein.« Baumanns Tonfall wurde jetzt ungeduldig. »Es war genau so, wie ich es der Polizei gesagt habe.«
    »Aber …«
    »Also dann«, unterbrach mich Baumann und es klang, als könnte er das Gespräch nicht schnell genug beenden. »Ich muss jetzt auflegen. Alles Gute für Sie.«
    »Herr Baumann …«
    Er hatte aufgelegt.
    Ich starrte irritiert mein Telefon an.
     
    Es waren kaum Leute unterwegs, als ich kurze Zeit später zur Bushaltestelle ging. Ich war der einzige Fahrgast, der bis hinaus zum Friedhof fuhr.
    Als der Bus an der Unfallstelle vorbeifuhr, sah ich, dass mein Wagen noch in der Böschung an der Mauer lag. Doch ich war nicht darauf vorbereitet gewesen, wie schlimm das Wrack tatsächlich aussah.
    Plötzlich war mir klar, weshalb man einen Notarzt gerufen, und mich ins Krankenhaus gebracht hatte. Selbst aus der Entfernung war es eindeutig, dass niemand in diesem Haufen Schrott überlebt haben konnte.
    Ich stieg an der Haltestelle beim Friedhofstor aus. Bevor ich die Straße hinunterging, warf ich aus Gewohnheit einen Blick auf das Haus des Friedhofswärters.
    Adalbert Kaster stand auf seiner Türschwelle und winkte mir zu.
    »Kind!«, rief er erleichtert. »Bin ich froh, dich zu sehen!«
    Ich konnte nicht anders. Ich lächelte, als der alte Mann mir entgegeneilte.
    Er nahm meine beiden Hände und drückte sie. »Ich habe von dem schrecklichen Unfall gestern gehört! Geht es dir gut?«
    »Alles in Ordnung«, versicherte ich.
    Der alte Friedhofswärter blickte mich besorgt an. Er hatte tiefe Falten, vom Wetter gegerbte Haut und schneeweißes Haar. Langsam hellte sich sein Blick auf.
    »Dir ist nichts geschehen?«, fragte er noch einmal.
    »Ich habe sehr viel Glück gehabt.«
    Ein merkwürdiger Ausdruck trat in

Weitere Kostenlose Bücher